5.9.1 Anteile an einer BGB-Gesellschaft

 

Rz. 30

Die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)[1] sind gesamthänderisch am Gesellschaftsvermögen beteiligt.[2] Über diesen Anteil und über seinen Anteil an den einzelnen Vermögensgegenständen darf der Gesellschafter nach § 719 BGB grundsätzlich nicht verfügen. Durch § 321 Abs. 7 AO i. V. m. § 859 Abs. 1 ZPO wird jedoch die Pfändung des Anteils am Gesellschaftsvermögen – nicht an den einzelnen Vermögensgegenständen – ermöglicht.[3] Hierdurch erlangt die Vollstreckungsbehörde die Möglichkeit zur Kündigung der Gesellschaft[4] und den Anspruch auf den Gewinnanteil bzw. das Auseinandersetzungsguthaben.[5] Die Vollstreckungsbehörde kann dann die Auseinandersetzung betreiben.[6] Die Zustellung der Pfändungsverfügung erfolgt an den geschäftsführenden Gesellschafter.[7] Die Gesellschaftskündigung ist aber gegenüber allen Gesellschaftern vorzunehmen. Str. ist, ob die Gesamthand Drittschuldner ist oder die Gesellschafter.[8] Auf einen nichtrechtsfähigen Verein finden die Bestimmungen zur GbR ebenfalls Anwendung. Bei einem rechtsfähigen Verein ist hingegen die Mitgliedschaft nicht pfändbar, sondern nur die vermögensrechtlichen Forderungen, die hieraus resultieren können.[9]

[2] Wegen der Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen s. § 267 AO.
[3] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 321 AO Rz. 42.
[5] § 717 BGB; Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl. 2020, § 725 BGB Rz. 2.
[6] Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 859 ZPO Rz. 4; Koenig/Fritsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 321 Rz. 32.
[7] BGH v. 21.4.1986, II ZR 198/85, NJW 1986, 1991; Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 859 ZPO Rz. 3.
[8] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 321 AO Rz. 44 m. w. N.
[9] Koenig/Fritsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 321 Rz. 35.

5.9.2 Anteile an einer offenen Handelsgesellschaft/EWIV/Partnerschaftsgesellschaft

 

Rz. 31

Die OHG ist letztlich eine Sonderform der GbR für Zwecke des Handelsrechts. Sofern das HGB keine Sonderregelung vorsieht, gelten die Bestimmungen des BGB.[1] Die Ausführungen zur GbR gelten deshalb entsprechend für die OHG.[2] Der Anteil am Gesellschaftsvermögen – nicht an den einzelnen Vermögensgegenständen – ist nach § 321 AO pfändbar. Die Pfändung umfasst nur die Gewinnanteile und den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben, nicht jedoch andere Gesellschaftsrechte.

 

Rz. 32

Das Kündigungsrecht der Vollstreckungsbehörde ist eingeschränkt durch § 135 HGB. Dieser bestimmt, dass Privatgläubiger eines Gesellschafters nur unter bestimmten Voraussetzungen die Gesellschaft kündigen können.[3] Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft, die auf seinem Privatkonto gebucht sind, gehören nicht zu den gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen. Sie können daher nach §§ 309ff. AO gepfändet werden.

 

Rz. 33

Der OHG weitgehend gleichgestellt ist die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung – EWIV.[4] Die Pfändung eines Anteils an einer EWIV erfolgt deshalb wie die Pfändung des Gesellschaftsanteils an einer OHG. Gleiches gilt nach den Bestimmungen des PartG für die Partnerschaftsgesellschaft.[5] Die Regelungen zu PartG gelten ebenso für die neue Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung, die für die freien Berufe Anwendung finden kann. Diese wurde durch Gesetz v. 15.7.2013 eingeführt.[6]

[2] S. Rz. 30; wegen der Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen s. auch § 267 AO.
[3] Roth, in Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl. 2020, § 135 HGB Rz. 4ff.
[4] Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 859 ZPO Rz. 9b.
[5] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 321 AO Rz. 48.
[6] BGBl I 2013, 2386, hierzu allgemein Pesstke/Michel, Stbg 2013, 366.

5.9.3 Anteile an einer Kommanditgesellschaft

 

Rz. 34

Für die KG finden nach § 161 Abs. 2 HGB die Bestimmungen für die OHG entsprechende Anwendung (s. Rz. 31). Pfändbar ist ein Anteil des Komplementärs und eines Kommanditisten.[1]

5.9.4 Anteile an einer stillen Gesellschaft

 

Rz. 35

Die stille Gesellschaft ist nach § 230 HGB die Beteiligung an dem Handelsgewerbe eines anderen.[1] Dies kann ein einzelkaufmännisches Unternehmen, eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft sein. Ein Gesellschaftsvermögen gibt es nicht. Pfändbar ist jedoch der Anspruch des "Stillen" auf den Gewinnanteil und das Auseinandersetzungsguthaben[2] Die Kündigung ist nach § 234 HGB wie für die OHG eingeschränkt, da § 135 HGB durch Verweis entsprechend gilt.[3] Hierbei wird man keinen Unterschied zwischen der typischen stillen Gesellschaft nach den Regelungen des HGB und einer atypischen stillen Gesellschaft machen dürfen, bei der der stille Gesellschafter nach der Rechtsprechung als Mitunternehmer i. S. v. § 15 EStG anzusehen ist. Die Besonderheiten, die bei einer sog. atypischen stillen Gesellschaft gegeben sind, bestehen nämlich nur für die steuerliche Behandlung des stillen Gesellschafters. Bei der Vollstreckung gibt es hingegen keine Besonderheiten zu beachten.

[1] Roth, in Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl. 2020, § 230 HGB Rz. 1ff.
[2] § 717 BGB; s. auch Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 859 ZPO Rz. 11.
[3] Roth, in Baum...

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