Rz. 4

In der Entscheidung über die Anordnung der besonderen Verwertung kann die Vollstreckungsbehörde Versteigerungs- oder Veräußerungsbedingungen festsetzen. Als Art der besonderen Verwertung kommt nach dem Wortlaut des § 305 AO in Betracht, dass die Verwertung abweichend von dem gesetzlichen Leitbild der §§ 296ff. AO oder die Verwertung an einem anderen Ort oder die Versteigerung durch eine andere Person als den Vollziehungsbeamten erfolgt.[1]

 

Rz. 5

Wichtigste Alternative des § 305 AO ist wohl die Verwertung abweichend vom gesetzlichen Leitbild des Vollstreckungsrechts nach der AO. Dies kann bedeuten, dass nur von einzelnen Versteigerungsvorschriften abgewichen wird oder eine andere Art der Verwertung erfolgt. So kann auf die Wochenfrist verzichtet werden, die weiteren Regularien der Einberufung der Versteigerung oder die Beachtung der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen.[2] Fraglich ist, ob auch auf die Einhaltung des Mindestgebots bei der besonderen Verwertung verzichtet werden kann. Dies wird im Regelfall nicht der Fall sein, da das Mindestgebot die zentrale Schutzvorschrift für den Vollstreckungsgläubiger ist. Nur in Ausnahmefällen wird deshalb ein Abweichen von § 300 AO zulässig sein. Es sind dies die Fälle, die auch ein Abweichen von der Wochenfrist ermöglichen.[3]

 

Rz. 6

Neben dem Abweichen von den §§ 296ff. AO kommt insbesondere auch der freihändige Verkauf der gepfändeten Sache durch den Vollziehungsbeamten in Betracht.[4] Im Unterschied zu der Versteigerung kann bei einem freien Verkauf der Käufer auf dem Markt gesucht werden. Da die Vollstreckungsbehörde somit nicht an die engen Vorgaben für Versteigerungen gebunden ist, wird sich oftmals ein besserer Erlös erzielen lassen. Die Verwertung aus freier Hand führt aber nicht etwa dazu, dass der Käufer einen zivilrechtlichen Vertrag mit der Behörde abschließt. Vielmehr bleibt es dabei, dass ein Hoheitsakt gegeben ist.[5] Rechts- und Sachmängelansprüche seitens des Käufers sind deshalb ausgeschlossen. Eine Klage auf Rückgängigmachung ist vor dem FG zu erheben. Der freihändige Verkauf ist gesetzlich vorgeschrieben für Gold- und Silbersachen, wenn ein den Zuschlag gestattendes Gebot nicht abgegeben wurde.[6] Umsatzsteuerlich liegt bei einer solchen Verwertung ein direkter Erwerb vom Vollstreckungsschuldner vor.[7]

 

Rz. 7

Schließlich kann die Verwertung an einem anderen Ort oder durch eine andere Person erfolgen.[8] Die Verwertung an einem anderen Ort ist dabei wenig praxisbedeutsam, da der Ort der Verwertung im Ermessen der Vollstreckungsbehörde steht. Wichtiger ist die Versteigerung durch eine andere Person. Dies können insbesondere gewerbsmäßige Versteigerer sein. In einem solchen Fall erteilt die Vollstreckungsbehörde einen schriftlichen Auftrag zur Durchführung der Verwertung. Der Versteigerer wird also im öffentlichen Auftrag tätig. Gleichwohl erwirbt die Person, die den Zuschlag in der Versteigerung erhält, nicht mittels eines Hoheitsakts, sondern auf privatrechtlicher Grundlage. Der Eigentumserwerb erfolgt nach §§ 929ff. BGB.[9] Gewährleistungsansprüche sind aber nach § 283 AO ebenfalls ausgeschlossen, weil es sich um eine Maßnahme des Zwangsverfahrens handelt. Die Kosten der Verwertung durch eine dritte Person sind Kosten der Vollstreckung und daher vorweg aus dem Erlös zu befriedigen.

[1] Zur Kritik an dieser Bestimmung Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 305 AO Rz. 20.
[2] S. ausführlich hierzu Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 305 AO Rz. 22.
[4] Abschn. 56 VollzA; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 305 AO Rz. 26ff.; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 305 AO Rz. 4ff; Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 825 ZPO Rz. 12ff.
[8] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 308 AO Rz. 35ff., 37ff.; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 305 AO Rz. 6ff.
[9] BGH v. 2.7.1992, IX ZR 274/91, NJW 1992, 2570; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 308 AO Rz. 39.

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