Rz. 106

Soweit die betroffene Person zustimmt, ist ein Offenbaren oder Verwerten der geschützten Daten zulässig. Die Änderung des Begriffs des "Betroffenen" in den der "betroffenen Person" durch das 2.DSAnpUG-EU vom 20.11.2019[1] enthielt keinen materiellen Änderungsgehalt. Vielmehr wurde – wie auch in der Gesetzesbegründung ausgeführt – lediglich eine Anpassung der Begrifflichkeit an die DSGVO vorgenommen.[2] Die erforderliche Freiwilligkeit der Einwilligung der betroffenen Person ist dabei nur gegeben, wenn diese eine echte und freie Wahl hat und somit in der Lage ist, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden oder befürchten zu müssen.[3]

Aus Art. 4 Nr. 11 und Art. 7 Abs. 4 DSGVO ergibt sich zudem ein Koppelungsverbot. Die Freiwilligkeit einer Entbindungserklärung entfällt, wenn der betroffenen Person faktisch keine andere Wahl bleibt, als ihre Zustimmung zur Datenweitergabe zu geben, wenn sie die angestrebte Leistung erhalten will. Inwieweit dies unmittelbar auf § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO durchschlägt[4], scheint nur eine akademische Frage zu sein, da der Wirksamkeit der erklärten "freiwilligen Datenfreigabe" jedenfalls die DSGVO entgegensteht.

Die Zustimmung kann ausdrücklich (schriftlich oder mündlich) erteilt werden, auch durch eindeutiges schlüssiges Verhalten, nicht jedoch durch einfaches Dulden. Dem Schutzzweck der Norm entsprechend wird man eine konkludente Zustimmung der betroffenen Person nur in eindeutigen Fällen annehmen dürfen.[5] Deshalb muss auch die im strafrechtlichen Schrifttum vertretene Auffassung, im Rahmen von außergesetzlichen Rechtfertigungsgründen komme insbesondere die mutmaßliche Einwilligung in Betracht[6], mit erheblicher Vorsicht betrachtet werden. M. E. würde damit die Regelung des § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO überdehnt und dementsprechend zumindest i. d. R. der Schutzzweck der §§ 30 AO, 355 StGB unterlaufen. Im Zweifel hat der Amtsträger sich Gewissheit durch Befragung der betroffenen Person zu verschaffen.

Eine eindeutige Zustimmung durch schlüssiges Verhalten ist z. B. anzunehmen, wenn sich die betroffene Person wegen seines Steuerfalls an den Petitionsausschuss eines Parlaments oder an einzelne Abgeordnete wendet.[7] Die Behörde kann dann diesen gegenüber die personenbezogenen Daten des Petenten offenbaren. Zu beachten ist, dass nicht nur die personenbezogenen Daten des Stpfl., sondern auch diejenigen Dritter geheimzuhalten sind. Die Zustimmung der betroffenen Person befugt deswegen lediglich zur Offenbarung oder Verwertung der sie allein betreffenden Daten. Geht es um die geschützten Daten mehrerer Personen, müssen deshalb alle betroffenen Personen zustimmen.[8]

In Erbfällen ist z. B. eine Auskunftserteilung oder Akteneinsicht für den Erben als Gesamtrechtsnachfolger zulässig, soweit ein Offenbaren gegenüber dem Erblasser befugt gewesen wäre. Das gilt auch für jeden einzelnen Miterben ohne Zustimmung der anderen, nicht dagegen für Vermächtnisnehmer, Pfichtteilsberechtigte sowie Erbersatzanspruchsberechtigte (vgl. Rz. 31). Diese sind keine Gesamtrechtsnachfolger und daher Dritte. Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den oder die Erben nach § 2314 BGB ersetzt nicht die Einwilligung des Erben und hebt das Steuergeheimnis nicht auf.[9]

Die betroffene Person ist nicht verpflichtet, der Offenbarung oder Verwertung ihrer personenbezogenen Daten zuzustimmen. Da § 30 AO insbesondere auch dem Schutz ihrer Interessen dient (s. zu Rz. 6), dürfen aus ihrer Weigerung keine ihm nachteiligen Folgerungen gezogen werden. Andererseits hindert die Verweigerung der Zustimmung die Offenbarung oder Verwertung nicht, wenn diese sich auf eine andere Rechtsgrundlage stützen kann.[10] Weigert sich die Behörde in einem solchen Fall unter Berufung auf die fehlende Zustimmung, ihre Kenntnisse gegenüber Auskunftsberechtigten zu offenbaren, kann dies je nach den konkreten Gegebenheiten ermessensfehlerhaft oder sogar – bei gesetzlicher Mitteilungspflicht – unmittelbar rechtswidrig sein.

Da die Zustimmung eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung ist, muss sie grundsätzlich gegenüber der geheimnisverpflichteten Person oder Stelle erklärt werden. Es genügt jedoch, wenn sie gegenüber einer anderen Stelle erklärt wird mit der Absicht, dass diese sich an die geheimnisverpflichtete Stelle wendet. Dagegen ist mit dem Einverständnis einer gemeinnützigen Einrichtung, sie auf die Liste der Justiz als Empfänger von Geldauflagen zu setzen, nicht zugleich deren Zustimmung erteilt, dass das FA bei einem späteren Wegfall der Gemeinnützigkeit diesen der Justizstelle mitteilen darf.

Die Zustimmung muss vor dem Offenbaren oder Verwerten erteilt sein, eine spätere Heilung durch Genehmigung ist nicht möglich.[11]

 

Rz. 106a

In der Nutzung ungeschützter elektronischer Kommunikation zur Übermittlung geschützter Daten liegt eine Offenbarung der geschützten Daten gegenüber unbekannten Dritten (Rz. 56a). Aber auch beim potenziellen Versand steuergeheimnisgeschützter Daten durch einf...

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