Rz. 99

§ 30 Abs. 4 Nr. 2b AO entbindet in seiner ersten Alternative vom Steuergeheimnis, soweit die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Statistischen Bundesamtes dient. Davon sind die gesamten jeweils aktuellen Aufgaben des Statistischen Bundesamtes umfasst. Die Regelung wurde mit Wirkung vom 25.5.2018 in die Regelung zum Steuergeheimnis eingefügt.[1] Damit trug der Gesetzgeber den Anforderungen der DSGVO Rechnung.

Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten zu im öffentlichen Interesse liegenden Archivzwecken, zu wissenschaftlichen oder historischen Forschungszwecken und zu statistischen Zwecken regelt Art. 89 Abs. 1 DSGVO. Diese Regelung ist im Erlaubnisumfang relativ weitgehend. Sie gestattet aber, auch wenn die Weiterverarbeitung insoweit nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b DSGVO als nicht unvereinbar mit den ursprünglichen Zwecken gilt und auch unter Einhaltung der Speicherbegrenzung des Art. 5 Abs. 1 Buchst. e DSGVO für sich allein noch keine Offenbarung oder Verwertung vom Steuergeheimnis geschützter Daten.[2] Dementsprechend bedurfte es – zumindest grundsätzlich – der Öffnungsnorm des § 30 Abs. 4 Nr. 2b AO.

 

Rz. 99a

Ob es der Normsetzung überhaupt bedurfte oder die entsprechende Öffnung des Steuergeheimnisses schon aus § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO i. V. m. § 2a Abs. 1, § 2b Abs. 1, § 4 Abs. 4, § 6 Abs. 1 und 2 und § 9 Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über Steuerstatistiken und § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO i. V. m. § 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Preisstatistik[3] umfassend herzuleiten ist, § 30 Abs. 4 Nr. 2b AO also, soweit es die Aufgaben des Statistischen Bundesamtes betrifft, einen ausschließlich deklaratorischen Charakter hat[4], kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls kommt es bei ergänzenden Normen zur gesetzlichen Aufgabenerfüllung des Statistischen Bundesamtes nicht (mehr) auf die ausdrückliche Zulassung der Durchbrechung des Steuergeheimnisses (vgl. Rz. 90) an. Mindestens insoweit (vgl. Rz. 102) ist/wirkt § 30 Abs. 4 Nr. 2b 1. Alt. AO also konstitutiv.

 

Rz. 100

Mit § 30 Abs. 4 Nr. 2b 1. Alt. AO wollte der Gesetzgeber eine Offenbarungs- und Verwertungsbefugnis für die Fälle schaffen, in denen die Weiterverarbeitung personenbezogener "steuerlicher" Daten durch die Finanzbehörden zu statistischen Zwecken nach dem BStatG erfolgt. Für derartige Zwecke gilt nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b DSGVO die Weiterverarbeitung nicht als unvereinbar mit den ursprünglichen Zwecken. Da diese Zwecke bei der Weiterverarbeitung kompatibel mit dem Zweck der Erstverarbeitung sind, kann sich der Verantwortliche als Rechtsgrundlage erneut auf die Rechtsgrundlage stützen, die bereits für die Erstverarbeitung galt. Dazu schafft § 30 Abs. 4 Nr. 2b 1. Alt. AO die entsprechende Offenbarungs- und Verwertungsbefugnis für den Bereich des Steuergeheimnisses.[5] Die datenschutzrechtliche Bewertung der Weiterleitung von Daten ist von der Regelung des Steuergeheimnisses zu trennen. § 30 Abs. 4 Nr. 2b 1. Alt AO regelt, dass die Offenbarung oder Verwertung von Daten für statistische Zwecke des Bundes nur zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Statistischen Bundesamtes dienen darf. Für die Erstellung anderer Bundesstatistiken, etwa für die Erstellung wissenschaftlicher oder historischer Forschungsarbeiten ist eine Offenbarung oder Verwertung vom Steuergeheimnis geschützter Daten also nicht zulässig.[6] Der Gesetzgeber regelt dies in Form der negativen Regelung der Öffnungsklausel zur Offenbarungs- oder Verwertungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 2b 1. Alt. AO.[7] Das Steuergeheimnis ist hier also in der Verwendungsbeschränkung enger als die DSGVO.[8]

 

Rz. 101

Die Vorschrift öffnet das Steuergeheimnis für die gesetzliche Aufgabenerfüllung des Statistischen Bundesamtes, insbesondere nach dem BStatG. Die Zwecke dieser Statistiken sind in der Gesetzesbegründung ausgeführt.[9] Von den Daten der Steuer- und Zollverwaltung hängen maßgebend nicht nur die entsprechenden Bereichsstatistiken ab, die größtenteils im BStatG geregelt sind, sondern auch weite Teile der Bundesstatistik besonders die Unternehmensstatistiken und hier vor allem die Statistiken des Dienstleistungssektors und des Handwerks. Diese wären ohne die steuerlichen Datenzulieferungen nicht mehr durchführbar. Da diese Daten auch eine wesentliche Grundlage des Unternehmensregisters für statistische Verwendungszwecke[10] bilden, wären ohne eine sprechende Öffnungsklausel auch Stichprobenziehungen und Registerauswertungen gefährdet, im Ergebnis also die gesamte deutsche Unternehmensstatistik. Da sowohl der Betrieb des Statistikregisters als auch die Statistiken über das Wirtschaftsgeschehen[11] durch EU-VO verpflichtend geregelt sind, wäre bei Einschränkungen bei der Durchführung dieser Aufgabe darüber hinaus auch mit einem Vertragsverletzungsverfahren zu rechnen.[12]

 

Rz. 102

Es ist aber festzustellen, dass die Regelung des § 30 Abs. 4 Nr. 2b 1. Alt. AO keine ausdrückliche Begrenzung auf die Erstellung von Steuerstatistiken nach d...

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