8.1.4.1 Allgemeines

 

Rz. 90

Zulässig ist nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO ein Offenbaren oder Verwerten[1] geschützter Daten, soweit es durch Bundesgesetz[2] ausdrücklich zugelassen ist. Gesetz i. S. v. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO ist (ungeachtet § 4 AO) nur ein Gesetz im formellen Sinn. Dies wird aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und aus der Bedeutung des Steuergeheimnisses hergeleitet.[3] Rechtsverordnungen können insoweit nur genügen, wenn sich ihr Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend genau aus einem formellen Gesetz ergeben.[4] Landesgesetze können die Befugnis zur Offenbarung oder Verwertung vom Steuergeheimnis geschützter Daten nur soweit erteilen, wie die Gesetzgebungsbefugnis des Landes reicht.[5] Eine Einschränkung des Steuergeheimnisses durch Landesgesetz kommt deshalb dann, aber auch nur dann, in Betracht, wenn und soweit § 30 AO nicht originär einschlägig ist, aber durch Landesgesetz die entsprechende Anwendung der AO auf landes- oder kommunalrechtliche Steuervorschriften geregelt ist. Anderenfalls bedürfte es einer an § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO orientierten und diesem gerecht werdenden Öffnung für landesrechtliche Regeln, wie sie etwa – sehr eingeschränkt – mit der Regelung des § 30 Abs. 4 Nr. 2d AO (Rz. 105h) geschaffen wurde.

Die landesrechtliche Anwendbarkeitserklärung für die Regelung des § 30 AO macht diese Vorschrift insoweit zu Landesrecht, was auch die sinngemäße landesrechtsbezogene Anwendung des Abs. 4 voraussetzt. Dem ist immanent, dass für diese Fälle und insoweit auch landesrechtliche Öffnungsklauseln für die sinngemäße Anwendung des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO in Frage kommen können. Deswegen können z. B. Hundesteuergesetze eine Auskunftsbefugnis über die Person des Hundehalters im Fall der Tierhalterhaftung vorsehen.

Ausdrückliche Zulassung bedeutet, dass die Zulässigkeit nicht nur mittelbar durch Auslegung einer Rechtsnorm hergeleitet werden kann. Zwar enthält Abs. 4 Nr. 2 kein Zitiergebot, aus der Notwendigkeit einer ausdrücklichen Zulassung wird aber abgeleitet, dass aus dem Gesetz eindeutig und ohne jeden Zweifel hervorgehen muss, dass die angeordnete Auskunfts- oder Verwertungsbefugnis oder -verpflichtung dem Steuergeheimnis und damit den Schutzinteressen des Betroffenen vorgeht.[6] Eine bloße Auslegung der Norm dahingehend, ob sich nach Sinn und Zweck der Bestimmung eine Offenbarungs- oder Verwertungsbefugnis ergeben soll, reicht jedenfalls für die Annahme einer gesetzlich zugelassenen Offenbarungs- oder Verwertungsbefugnis nicht aus.[7] Dies würde dem Tatbestandsmerkmal "ausdrücklich" nicht gerecht.

Die Zulässigkeit kann in der AO, in einem Einzelsteuergesetz oder in einem anderen Gesetz, nicht dagegen in einer Rechtsverordnung (s. o.) ausdrücklich vorgesehen sein. In der AO sind daneben auch zahlreiche Vorschriften enthalten, die Rahmenbedingungen für die Aufgabenerfüllung der Finanzbehörden regeln und die Zulässigkeit der Informationsweitergabe an Dritte voraussetzen. Diese Vorschriften bedurften keiner ausdrücklichen Zulässigkeitserklärung, da ihr Verfahren bereits durch § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO unter Steuergeheimnisgesichtspunkten zulässig ist.

Die gesetzlichen Gründe für die Zulässigkeit der Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten sind vielfältige; meist geht es darum, das Funktionieren von Justiz und Verwaltung bei Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben zu ermöglichen und zu gewährleisten. Dementsprechend gibt es eine Vielzahl einzelner, punktuell ansetzender Offenbarungs- oder Verwertungsbefugnisse in einer Vielzahl verschiedener Gesetze. Ob eine Befugnis im konkreten Einzelfall besteht, ist deshalb im Zweifel anhand der aktuellen (spezial-)gesetzlichen Regeln zu prüfen.

So enthalten z. B. das Prinzip der Rechts- und Amtshilfe[8] und seine in zahlreichen Vorschriften des Bundes- und Landesrechts enthaltene Wiederholung oder genauere Konkretisierung keine ausdrückliche Befugnis für das Offenbaren oder Verwerten der vom Steuergeheimnis erfassten geschützten Daten. Sieht ein Gesetz ausdrücklich die Zulässigkeit vor, so ergibt sich aus dem allgemeinen Rechts- und Amtshilfeprinzip der Behörden und Gerichte untereinander grundsätzlich auch die Verpflichtung der an sich zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichteten Behörde zur Auskunftserteilung.

Für die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestags wiederholt Art. 44 Abs. 3 GG das bereits in Art. 35 GG enthaltene Amts- und Rechtshilfegebot für das Verhältnis der Gerichte und Verwaltungsbehörden zum Untersuchungsausschuss. Art. 44 Abs. 3 GG konkretisiert für einen ganz speziellen Fallbereich die Amts- und Rechtshilfepflicht, verpflichtet jedoch abweichend von Art. 35 GG nicht alle Behörden des Bundes und der Länder zur gegenseitigen Hilfe, wohl aber die Gerichte und Verwaltungsbehörden. Während der Gesetzgeber zu einer gesetzlichen Ausgestaltung und Konkretisierung der Pflichten nach Art. 35 Abs. 1 GG in der Lage ist[9], erscheint es unzulässig, durch Forderung einer ausdrücklichen gesetzlichen Befugnisvorschrift in der AO als einem einfac...

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