Rz. 84

Soweit der Gesetzgeber auf die Zwecke des § 29c Abs. 1 S. 1 Nr. 6 AO abstellt, ist festzustellen, dass schon bisher unstreitig die Möglichkeit bestand, im Interesse der Durchführung der Kontrollbefugnisse der die Fach- und Rechtsaufsicht ausübenden vorgesetzten Behörde geschützte Daten zu offenbaren.[1] Da der Bundesgesetzgeber unter der Ägide der DSGVO in der Weiterverarbeitung personenbezogener Daten zur Wahrnehmung von Aufsichts- und Kontrollbefugnissen eine Zweckänderung sieht,[2] bedurfte es einer entsprechenden gesetzlichen Regelung, um die rechts- und fachaufsichtlichen Überprüfungen weiterhin tauglich beibehalten zu können.[3]

 

Rz. 84a

Die Wahrnehmung von Aufsichts- und Steuerungsaufgaben durch vorgesetzte Dienstbehörden erfordert auch die Herstellung der Vergleichbarkeit von statistischen Daten. Auch die Herausgabe von statistischen Daten ist aber steuergeheimnisrelevant, wenn aus den statistischen Angaben durch die Weitergabe an einzelne Informationsempfänger oder mediale Veröffentlichung Dritten Rückschlüsse auf geschützte Daten betroffener Personen möglich sind (Rz. 56, 129d).

Oft werden statistische Daten nicht solitär, sondern zusammenhängend erfasst. Beträgt in einem Land die Zahl der von einer statistischen Auswertung betroffenen Stpfl. aber etwa 1 oder 2, wird bei Veröffentlichung weiterer auf die Gruppe der betroffenen Stpfl. bezogener "kumulierter Daten" dieses Landes für jeden, dem bekannt ist, welcher (weitere) Stpfl. hier betroffen ist, offenbar, welche Daten diesen Stpfl. im Übrigen betreffen. So würde bei Veröffentlichung in diesem Fall etwa der Umfang der Betroffenheit offenbar oder auch, ob die sich ergebende Steuerschuld von den betroffenen Stpfl. gezahlt wurde oder etwa, ob die Steuerfestsetzung von ihm angefochten wurde. Auch für derartige Zuleitungen – soweit hier eine Steuergeheimnisrelevanz entstehen kann – gibt § 30 Abs. 4 Nr. 1a i. V. m. § 29c Abs. 1 S. 1 Nr. 6 S. 1 AO den Daten liefernden Bediensteten der Finanzämter die nötige Berechtigungsgrundlage.

I. d. R. werden statistische Auswertungen von den Aufsichtsbehörden aber – gerade auch auf Grundlage der Pressegesetze – auch der medialen Öffentlichkeit mitgeteilt. Zwar liegt die Verantwortlichkeit für die Wahrung des Steuergeheimnisses hier bei den die Statistik veröffentlichenden Amtsträgern der Aufsichtsbehörde. Dies entbindet die zuständigen Amtsträger der Finanzämter aber ihrerseits nicht von ihrer Verpflichtung, offensichtliche Risiken für die geschützten Daten zu vermeiden. Dementsprechend dürfen die Finanzämter ihre statistischen Daten auch an die Fachaufsichtsbehörden nur weitergeben, wenn nicht offensichtlich davon auszugehen ist, dass dort eine öffentliche Weitergabe ohne Prüfung auf die Steuergeheimnisrelevanz beabsichtigt ist.[4] Gleiches gilt für die Weitergabe von Länderdaten an das BMF, wenn dort eine länderbezogene – nicht auf die Verletzung des Steuergeheimnisses geprüfte – Weitergabe zu erwarten ist.

 

Rz. 85

Durch die Öffnungsklausel des § 30 Abs. 4 Nr. 1a AO i. V. m. § 29c Abs. 1 S. 1 Nr. 6 AO ist auch für die Weitergabe von Erkenntnissen aus dem Besteuerungsverfahren an die für Disziplinarverfahren zuständige Stelle eine gesonderte Rechtsgrundlage geschaffen. Auch diese, die Weiterverarbeitung von originär zu anderen Zwecken erhobenen Daten ermöglichende, und den Anforderungen der DSGVO geschuldete Regelung schaffte keine weitergehende Befugnis zur Datenweitergabe gegenüber dem vorherigen Rechtszustand. Schon vor dem 25.5.2018 war eine Weitergabe von Erkenntnissen aus dem Besteuerungsverfahren an Disziplinarstellen unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere orientiert an dem Gewicht der Verfehlung nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO, möglich. Dies setzte das Bestehen eines zwingenden öffentlichen Interesses voraus. Das zwingende öffentliche Interesse ist nunmehr nicht mehr normierte Voraussetzung der Offenbarung an Disziplinarbehörden nach § 30 Abs. 4 Nr. 1a AO. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber hier eine erleichterte Weitergabe von Daten aus dem Besteuerungsverfahren für Disziplinarzwecke eröffnen wollte. Vielmehr sollte gerade und nur der Status quo auch unter den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen der DSGVO aufrechterhalten werden.[5] Es ist deshalb konsequent, auch weiterhin das Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses für die Datenweitergabe an Disziplinarbehörden zu fordern.[6]

Dem wird auch gerecht, dass eine Weitergabe von geschützten Daten für Disziplinarzwecke nicht schrankenlos ist und unabhängig vom Wortlaut der Öffnungsnorm unzulässig sein kann. Eine Ausnahme von der Wahrung des Steuergeheimnisses als steuerverfahrensrechtliche Ausprägung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 und 2 GG erfordert jedenfalls die strenge Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.[7] Eine Verhältnismäßigkeit i. e. S. für die Weitergabe von steuergeheimnisgeschützten Daten an Disziplinarbehörden kann nur gegeben sein, wenn die Schwere der vorgeworfenen Verfehlu...

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