Rz. 33

In Gesamtschuldfällen ist das Steuergeheimnis untereinander nicht irrelevant.[1] Jeder Gesamtschuldner ist grundsätzlich ein anderer. Die Gesamtschuldner bilden keine Gemeinschaft, sondern sind im Wesentlichen nur dadurch miteinander verbunden, dass die Erfüllung, Aufrechnung und Sicherheitsleistung des einen auch für den anderen wirkt.[2]

Geben Eheleute oder Lebenspartner eine gemeinsame ESt-Erklärung ab und wählen sie die Zusammenveranlagung[3], so ist das Offenbaren von personenbezogenen Daten des einen Ehegatten bzw. Lebenspartners an den anderen regelmäßig durch § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO gedeckt, für den Inhalt des Steuerbescheids auch durch § 155 Abs. 3 S. 1 AO, soweit es im Einzelfall notwendig ist, einem Gesamtschuldner personenbezogene Daten des anderen Gesamtschuldners zu offenbaren.[4] Soweit weder § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO noch § 155 Abs. 3 S. 1 AO einschlägig ist, kann i. d. R. von einer gegenseitigen Zustimmung nach Abs. 4 Nr. 3 ausgegangen werden, soweit nicht andere Anhaltspunkte bei einem der Partner erkennbar sind. Das Steuergeheimnis ist dagegen insoweit zu beachten, als Ehegatten oder Lebenspartner die Einzelveranlagung[5] wählen oder soweit sie in getrennt abgegebenen Erklärungen Angaben machen, die nicht unter § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO fallen. Gleiches gilt aber auch, wenn durch Ermittlungen des FA oder auf andere Weise diesem bekanntgewordene Umstände nur einen der Ehegatten oder Lebenspartner betreffen. Hier kann jedenfalls im Einzelfall nicht ungeprüft unterstellt werden, dass ein Einverständnis mit dem "Kennen dürfen" des anderen Ehegatten oder Lebenspartners besteht. Ist der Antrag eines Ehegatten bzw. Lebenspartners auf Einzelveranlagung rechtswidrig und unwirksam und wird deswegen eine Zusammenveranlagung durchgeführt, so ist nach Auffassung des BFH unter Eheleuten das Steuergeheimnis bedeutungslos, wenn sie Gesamtschuldner sind.[6] Diese Feststellung bedarf aber in ihrer Grundsätzlichkeit der Relativierung. Wenn der BFH zusammenfassend sagt "Unter Gesamtschuldnern ist das Steuergeheimnis bedeutungslos", so trifft das unter den besonderen Umständen des Einzelfalls zu, ist jedoch im Übrigen viel zu weit gehend. Diese Aussage kann sich nur auf die für die Zusammenveranlagung und die Gesamtschuldnerschaft relevanten erklärten Umstände beziehen und nur soweit diese auch bei erklärten Zusammenveranlagungsfällen nicht untereinander steuergeheimnisrelevant wären.

In anderen Fällen der Gesamtschuld (z. B. gegenüber einem Haftenden) ist ein Offenbaren ebenfalls nur insoweit zulässig, als dies der Durchführung des Verfahrens dient (vgl. Rz. 75). Tritt an die Stelle eines Gesamtschuldners ganz oder teilweise eine andere Person, die z. B. die Verfügungsmacht wie etwa der Insolvenzverwalter erhält, so ist ein Offenbaren ebenfalls nur insoweit befugt, wie dieses zur Durchführung des Insolvenzverfahrens, insbesondere zur Behandlung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Insolvenzverfahren, nötig ist.

Die Feststellung des BFH in Zusammenveranlagungsfällen muss dementsprechend und in Betrachtung des Schutzbereichs des Steuergeheimnisses den Bedürfnissen der Gesamtschuldnerschaft entsprechend eingeschränkt ausgelegt werden.

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