Rz. 20

Die in § 7 AO definierten Amtsträger[1] und die ihnen nach § 30 Abs. 3 AO gleichgestellten Personen haben das Steuergeheimnis zu wahren. § 30 Abs. 1 und 2 AO ist an einen einzelnen Amtsträger adressiert; dies bringt eine individualisierte "amtsträgerbezogene" Zuschreibung des Steuergeheimnisses zum Ausdruck.[2] Das bedeutet, dass nicht nur die Amtsträger und gleichgestellten Personen der Finanzbehörden und der mit Steuerfragen befassten Gerichte zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind, sondern alle Amtsträger und gleichgestellten Personen, bei denen die sachlichen Voraussetzungen des Geheimnisschutzes nach § 30 Abs. 2 AO gegeben sind. Dies ist insbesondere für die Fälle des § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c i. V. m. Abs. 4 Nr. 2 AO von Bedeutung, in denen Amtsträger anderer Verwaltungen, der Staatsanwaltschaften oder Gerichte zulässigerweise aufgrund von Mitteilungen der Finanzbehörden Kenntnisse erlangen (verlängerter Schutz des Steuergeheimnisses). Bei diesen Amtsträgern ist nicht selten Unkenntnis über ihre Geheimhaltungspflicht anzutreffen. Zu den Amtsträgern gehören nicht die Abgeordneten der Parlamente.[3] Deswegen ist bei Beachtung von BVerfG v. 17.7.1984, 2 BvE 11/83, 15/83, BVerfGE 67, 100 auch bei grundsätzlicher Rechtfertigung der Aktenvorlage an den parlamentarischen Untersuchungsausschuss darauf zu achten, dass die nach § 30 AO bestehende Verpflichtung zur Geheimhaltung nicht durch das Begehren des Untersuchungsausschusses aufgehoben wird. Die Amtsträger, die in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss dennoch Kenntnisse erlangen, haben das Steuergeheimnis zu wahren. Dem Steuergeheimnis unterliegen dagegen nicht der Stpfl., beteiligte Dritte, Vertreter, Beistände und andere Personen, die nicht zu dem verpflichteten Personenkreis gehören, auch wenn sie ihre Kenntnisse in einem Verfahren nach Abs. 2 Nr. 1 erworben haben (z. B. als Zuhörer in einer Gerichtsverhandlung). Für einzelne der genannten Personen kommt allerdings eine zivilrechtliche oder standesrechtliche Geheimhaltungspflicht in Betracht.

Neben den Amtsträgern sind folgende Personengruppen zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet.

[1] Vgl. dazu die Erl. von Pahlke, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, zu § 7 AO.
[2] OVG NRW v. 6.11.2018, 15 A 2638/17, NWVBl 2019, 124 Rz. 50.
[3] Zu deren Geheimhaltungspflicht s. § 30 Abs. 11 S. 1 AO; Rz. 139 und 140.

4.1 Für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (§ 30 Abs. 3 Nr. 1 AO)

 

Rz. 21

Die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten sind in § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB legal definiert. Darunter fallen Personen, die nicht Beamte oder Richter sind, nicht in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen und auch nicht selbst unmittelbar Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllen, sondern lediglich im Zusammenhang mit dieser Erfüllung eingesetzt werden. Das kann bei Hilfstätigkeiten in der Behörde selbst geschehen, z. B. bei einer Tätigkeit eines Hausmeisters oder bei der Raumreinigung. Die Tätigkeit kann jedoch auch außerhalb der Behörde im öffentlich-rechtlichen (z. B. bei einer Kammer) oder im Privatbereich (z. B. Datenerfassung bei Steuerveranlagungen durch einen Gewerbebetrieb) ausgeübt werden.

Der Arbeitgeber gehört hinsichtlich des LSt-Abzugs nicht zu diesem Kreis. Er nimmt als Steuerentrichtungspflichtiger keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, sondern eigene gesetzliche Pflichten innerhalb eines eigenständigen Steuerschuldverhältnisses.[1]

Abgeordnete, die legislative Tätigkeiten im Bundes- oder Landtag wahrnehmen, üben keine Verwaltungstätigkeit aus. Für Sie kommt dementsprechend eine Verpflichtung nach dem Verpflichtungsgesetz nicht in Betracht.[2]

Voraussetzung für eine Gleichstellung mit Amtsträgern nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AO ist außer der Tätigkeit bei einer Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführt, eine besondere förmliche Verpflichtung auf das Steuergeheimnis, nicht nur auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten. Das hierfür erforderlich gewesene Verpflichtungsgesetz[3] fordert in § 1 Abs. 2 eine mündliche Verpflichtung mit Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung. Da über die Verpflichtung auch eine Niederschrift mit Unterschrift des Verpflichteten aufzunehmen ist, ist eine bloße schriftliche Verpflichtungserklärung des Verpflichteten, die er der Behörde zusendet, nur ein Weniger gegenüber dem vorgeschriebenen Weg. Die Verpflichtung wirkt, wenn der vorgeschriebene Ablauf mit dem Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen einer Verletzung vollständig eingehalten wird, konstitutiv. Das ist auch für die Strafbarkeit nach § 355 StGB erforderlich. Weil es sich hier bei der Verpflichtung für die Tätigkeit bei einer Finanzbehörde um eine solche bei einer Behörde nach Bundesrecht[4] handelt, bestimmt die für die Finanzverwaltung jeweils zuständige oberste Bundes- oder Landesbehörde, welche (behördliche) Stelle für die Verpflichtung zuständig ist.

[1] Baum, in eKommentar, AO, § 30 Rz. 52.2 m. w. N.
[2] Baum, in eKommentar, AO, § 30 Rz. 52.1.
[3] BGBl I 1974, 469, 547.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge