2.6.1 Wahrnehmung von Aufsichts-, Steuerungs- und Disziplinarbefugnissen

 

Rz. 40

Es entspricht der bisher geltenden allgemeinen Rechtsauffassung, dass die Verwendung und Übermittlung zur Wahrnehmung von Aufsichts-, Steuerungs- und Disziplinarbefugnissen zulässig ist.[1] Eine klarstellende Erweiterung des Katalogs des § 30 Abs. 4 AO wurde in Nr. 1a vorgenommen. Grundsätzlich hätte sich der (steuerliche) Gesetzgeber wohl auch mit dem Gedanken anfreunden können, dass die Verwendung zur Ausübung dieser Befugnisse (noch) von dem originären Erhebungszweck gedeckt ist und damit keine Weiterverarbeitung darstellt. Allerdings sah der (datenschutzrechtliche) Gesetzgeber nicht zuletzt auch wegen des Art. 5 Abs. 1 Buchst. b) 1. Halbs. DSGVO darin eine Weiterverarbeitung und hat diese nach § 23 Abs. 1 Nr. 6 BDSG für zulässig erklärt. Soweit die AO die datenschutzrechtlichen Vorgaben abschließend regelt, war dieser Fall zur Vereinheitlichung der Rechtsordnung in den Katalog des § 29c Abs. 1 S. 1 AO aufzunehmen.

Das Handeln der Finanzbehörden wird durch interne Instrumente (Vieraugenprinzip, Zeichnungsvorbehalte vorgesetzter Dienststellen) und externe Überprüfungsinstanzen (Innenrevision, Rechnungshöfe, Parlamente, datenschutzrechtliche Aufsicht) beaufsichtigt. Fallen Ertragshoheit und Verwaltungshoheit auseinander, sieht § 21 FVG verschiedentliche Auskunfts- und Teilhaberechte vor.[2] Die Offenbarung an die aufsichtführenden Instanzen und Personen ist hierbei nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zugelassen, da diese als Verfahren i. S. d. § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) und b) AO anzusehen sind. Die Weitergabe und die Offenbarung personenbezogener Daten an Parlamente ist allerdings nur unter Beachtung der Maßgaben des BVerfG zulässig.[3] Die Offenbarung gegenüber der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde[4] ist durch §§ 32h Abs. 1 S. 2 AO, 16 Abs. 3 Nr. 2 BDSG, 30 Abs. 4 Nr. 2 AO zugelassen.

 

Rz. 41

Die Steuerung des Handelns der Finanzbehörden wird z. B. durch den Abschluss von Zielvereinbarungen der Länder mit dem BMF nach Maßgabe des § 21a Abs. 2 FVG vorgenommen. Hierbei stellt das BMF einen Rahmenkatalog zu vereinbarender Vollzugsziele (z. B. Erledigungsquote für Steuererklärung im Jahr nach Ablauf des Veranlagungszeitraums oder Durchlaufzeit für Steuererklärungen) zur Verfügung, aus denen die Länder in gewissem Umfang die zu vereinbarenden Kennzahlen auswählen können, zu denen dann Zielwerte mit dem BMF vereinbart werden. Eine die Erreichung dieses Zielwertes sicherstellende Zielvereinbarung hat dann die oberste Landesfinanzbehörde mit jedem FA zu schließen. Der Grad der Zielerreichung ist unterjährig zu überwachen, damit die jeweilige FA-Leitung frühzeitig Maßnahmen ergreifen kann, um einer Fehlentwicklung entgegen zu steuern oder aber auf eine "best practice" in einem FA aufmerksam gemacht zu werden. Über Abweichungen von den vereinbarten Zielen ist dann gegenüber der obersten Landesfinanzbehörde, bzw. gegenüber dem BMF zu berichten, wobei personenbezogene Daten nur in Ausnahmefällen verwendet werden.

Darüberhinaus werden die Zielvereinbarungen auch in den Ländern auf die nachgeordneten Behörden heruntergebrochen. Im Übrigen ist es auch Aufgabe der Länderfinanzministerien und dem folgend der operativ steuernden Mittelbehörden, sicherzustellen, dass von den nachgeordneten Behörden eine einheitliche Rechtsanwendung im Interesse der bundesweit abzustimmenden Rechtsauffassungen erfolgt. Auch dafür bedarf es der Nutzung bestehender und weiterzuentwickelnder Aufsichts- und Steuerungsinstrumente.

 

Rz. 42

Die Disziplinarbefugnisse liegen i. d. R beim jeweiligen Dienstvorgesetzten, können aber, wenn die Schwere des Vergehens eine gewisse Größenordnung überstiegen hat, auch von der obersten Finanzbehörde wahrgenommen werden. Dies richtet sich in aller Regel nach den einschlägigen Disziplinargesetzen des Bundes und der Länder.

Liegt die Verfehlung nicht auf der Hand bzw. wird diese nicht eingestanden, so findet in aller Regel ein Vorermittlungsverfahren statt, in dem ein Vorermittlungsführer unter Beachtung der verfahrensrechtlichen Rechte des Beschäftigten die behauptete Verfehlung untersucht. Handelt es sich hierbei um eine Verfehlung, die ihrer Natur nach nur unter Einbeziehung personenbezogener Daten Dritter ermittelt werden kann[5], so sind diese im Zuge der Ermittlung zur Verfügung zu stellen oder zum Abruf bereit zu stellen bzw. in einem nachfolgenden Verfahren, das die Überprüfung der Disziplinarentscheidung zum Gegenstand hat, vorzuhalten. Die diesbezügliche Offenbarungsbefugnis enthält insofern § 30 Abs. 4 Nr. 1a AO.

 

Rz. 43

Kritisch ist hier das gerade bei Disziplinarverfahren drohende Offenlegungspotential der geschützten Daten des betroffenen Dritten. So stellt, als durchaus relevanter Anwendungsfall, bei einem Finanzbeamten oder einem Richter etwa auch eine Steuerstraftat in eigener Sache ein Dienstvergehen dar, das eine Weitergabe der relevanten Daten an die für die Durchführung eines Disziplinarverfahrens oder sonstiger dienstrechtlicher Maßnahmen zuständige Stelle nach § 30 Abs. 4 Nr. 1a und § 29c Abs....

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