Rz. 17

Die Regelung des § 29c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO sichert im Kern den Fortbestand des komplexen und in sich verbundenen Besteuerungsverfahrens (vgl. z.  B. das Feststellungsverfahren) und des steuerfallübergreifenden Verifikationsverfahrens (vgl. z.  B. Kontrollmitteilungen, Auskünfte Dritte) in datenschutzrechtlicher Hinsicht ab. Bei den genannten Verfahren handelt es sich um solche i. S.  v. Art. 23 Abs. 1 Buchst. d), e) und h) DSGVO. Sie gewährleisten, dass die Finanzbehörden ihren Auftrag aus § 85 AO in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise erfüllen können.

§ 3 AO führt die zu erhebenden Abgaben auf. Neben den bundesgesetzlichen Steuerarten nebst Realsteuern (Grund- und Gewerbesteuern) zählen auch die nach der AO zu erhebenden steuerlichen Nebenleistungen[1] und Zölle[2] dazu. Damit begegnet es keinen datenschutzrechtlichen Bedenken, wenn z. B. Einfuhrabgaben nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 UStG hinzugerechnet werden oder das Abgabeverhalten aus vorangegangenen Zeiträumen bei der Frage der Vorabanforderungen nach § 149 Abs. 4 Nr. 1 a) und b) AO berücksichtigt wird.

 

Rz. 18

Die Weiterverarbeitung muss dem anderen Besteuerungsverfahren dienen. Dies ist der Fall, wenn die Daten eine Prüfung der in dem dortigen Verfahren relevanten Tatbestandsmerkmale ermöglichen, erleichtern oder auf eine festere Grundlage stellen können.[3] Diese Frage ist stets aus Sicht desjenigen Amtsträgers zu entscheiden, der das Steuerverfahren, in dem die Daten weiterverwendet werden sollen, zuständigkeitshalber zu betreiben hat bzw. zur Entscheidung berufen ist. Entscheidend ist hierbei allein, ob im Zeitpunkt der Veranlassung der Weiterverarbeitung (z. B. Absendung der Kontrollmitteilung, Abruf der Daten aus dem Dateisystem) die Annahme berechtigt war, dass die Daten dort von Bedeutung sein können (Prognoseentscheidung). Damit ist es unmaßgeblich, ob die Daten in dem anderen Verfahren bereits bekannt waren, weil sie mit den erklärten Daten des Stpfl. übereinstimmen oder aber aus anderen Gründen im Ergebnis keine steuerliche Relevanz haben.[4]

 

Rz. 19

Jede Weiterverarbeitung i. S. d. § 29c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO hat unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und sich auf den zur Erreichung des steuerlichen Zwecks erforderlichen Umfang zu beschränken.[5]

 

Rz. 20

Von § 29c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO gedeckt ist nur die Weiterverarbeitung für Verfahren in Steuersachen. Damit ist der Abgleich von Steuerdaten mit Daten aus nichtsteuerlichen Verfahren (z. B. Daten nach dem KraftStG mit Daten nach dem SGB XII (Sozialhilfe) zur Prüfung der Bedürftigkeit, Verwendung von steuerlichen Daten für Prüfungen der Rechnungshöfe ohne steuerlichen Hintergrund) oder die Weitergabe von Daten an nicht steuerliche Verfahren nach dieser Regelung nicht zulässig.

[1] Z. B. Verzögerungsgelder – § 146 Abs. 2b AO; Verspätungszuschläge- § 152 AO; Zuschläge nach § 162 AO; Zinsen – §§ 233 bis 237 AO; Säumniszuschläge -§ 240 AO; Zwangsgelder – § 329 AO; Kosten – §§ 89, 178, 178a, 377 bis 345 AO; Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben –Art. 5 UZK, Verspätungsgelder- § 22a Abs. 5 EStG.
[3] Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/12611, 79 unter Hinweis auf BFH v. 29.8.2012, X S 5/12, BFH/NV 2013, 2.
[4] BT-Drs. 18/12611, 79; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 29c AO Rz. 12; Koenig/Pätz, AO, 5. Aufl. 2024, § 29c Rz. 33.
[5] BT-Drs. 18/12611, 79; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 29c AO Rz. 13; Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 29c AO Rz. 15; Koenig/Pätz, AO, 5. Aufl. 2024, § 29c Rz. 34.

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