Rz. 5

Die zweite Fallgestaltung des § 288 AO betrifft die Vollstreckung in Abwesenheit.[1] Hierbei muss es sich zunächst um eine Vollstreckung in den Wohn- oder Geschäftsräumen des Vollstreckungsschuldners in Abwesenheit des Vollstreckungsschuldners oder einer tauglichen Ersatzperson handeln. Die Wohn- oder Geschäftsräume unterliegen dabei einem besonderen grundrechtlichen Schutz. Gleichwohl ist eine Vollstreckung in dieser Sphäre auch dann in Abwesenheit des Vollstreckungsschuldners zulässig, wenn eine taugliche Ersatzperson anwesend ist.

 

Rz. 6

Der Kreis der tauglichen Ersatzpersonen umfasst alle Personen, die mit dem Vollstreckungsschuldner in einem gemeinsamen Haushalt leben oder bei dem Vollstreckungsschuldner angestellt sind. Ersatzperson sind damit insbesondere, aber nicht abschließend Ehegatten, Kinder, Lebenspartner, Verwandte und Hausangestellte.[2] Die Norm wurde durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 mit Wirkung zum 30.6.2013 sprachlich neu gefasst und auch inhaltlich leicht geändert.[3] Der zufällig anwesende getrennt lebende oder geschiedene Ehegatte reicht nicht aus.[4] Im betrieblichen Bereich kommen vor allem Betriebsangehörige in Betracht, ohne dass es auf deren Stellung im Betrieb ankommt. Als erforderlich wird man indes ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis anzusehen haben. Nicht ausreichend ist demnach ein Aushilfsverhältnis oder etwa der Handwerker, der sich gerade in den Wohn- oder Geschäftsräumen des Vollstreckungsschuldners aufhält, um Arbeiten auszuführen.[5] Dieser kommt allerdings als Zeuge in Betracht. Nach dem Wortlaut des § 288 AO ist es nunmehr ebenfalls erforderlich, dass die taugliche Ersatzperson erwachsen ist. In dieser Hinsicht weicht § 288 AO nunmehr nicht mehr von § 759 ZPO ab. Nach Sinn und Zweck der Norm wird man aber in jedem Fall fordern müssen, dass die taugliche Ersatzperson in der Lage ist, die Bedeutung der Vollstreckung zu erkennen, und erforderlichenfalls ihre Beobachtungen wiedergeben kann. Damit war eine erwachsene Ersatzperson bereits in der Vergangenheit als grundsätzlich wünschenswert anzusehen, um der Bedeutung der Norm nachzukommen[6], sodass sich in der Praxis wenig ändern dürfte.

[1] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 288 AO Rz. 9ff.
[3] BGBl I 2013, 1809.
[4] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 288 AO Rz. 2.
[5] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 288 AO Rz. 12.
[6] Abschn. 29 Abs. 1 VollzA; Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 288 Rz. 3; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 288 AO Rz. 13.

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