Rz. 9

Die Pfändung beweglicher Sachen erfolgt grundsätzlich dadurch, dass der Vollziehungsbeamte sie in Besitz nimmt, also an der Stelle des Vollstreckungsschuldners den Gewahrsam über die Sache erlangt.[1] Ausnahmen hiervon ergeben sich jedoch aus § 286 Abs. 2 AO. In der Praxis ist indes die Inbesitznahme eher die Ausnahme. Durch die Wegnahme durch den Vollziehungsbeamten entsteht ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis, auf das §§ 688ff. BGB sowie §§ 276, 278 BGB entsprechend anwendbar sind. Für Ersatzansprüche ist insoweit der Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben. Der Vollstreckungsgläubiger wird unmittelbarer Fremdbesitzer.[2]

 

Rz. 10

Pfändung durch Inbesitznahme nach § 286 Abs. 1 AO ist in der Praxis die Ausnahme. Sie ist nur bei Geld, Kostbarkeiten und Wertpapieren durchzuführen.[3] Geld ist jedes Zahlungsmittel, das der Gläubiger ohne Umtausch usw. verwerten kann, also inländische Banknoten und Münzen, nicht aber ausländische Zahlungsmittel. Kostbarkeiten sind bewegliche Sachen, die im Verhältnis zu ihrem Umfang oder Gewicht einen besonders hohen Wert haben, also Sachen aus Edelmetall (Gold, Silber, Platin), Edelsteine sowie besonders wertvolle Antiquitäten, Teppiche usw. Wertpapiere sind Urkunden, in denen ein Recht verbrieft und verkörpert ist, sodass die Urkunden selbst zum Träger des Rechts werden und der Besitz der Urkunde zur Ausübung des Rechts notwendig ist. Es kann sich um Namens-, Order- oder Inhaberpapiere handeln[4]; hierunter fallen auch die "kleinen Inhaberpapiere" wie Postwert-, Gebühren- und Steuerzeichen, Eintrittskarten, Lotterielose usw. Nicht hierher gehören die Beweisurkunden wie Sparkassenbuch, Hypothekenbrief, Schuldschein und Kraftfahrzeugbrief.

 

Rz. 11

Für die Pfändung von Kfz gilt die Sonderregelung des Abschn. 46 VollzA. Danach ist das Kfz regelmäßig durch Wegnahme zu pfänden; ebenfalls wegzunehmen sind Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief (Hilfspfändung). Ist die Wegnahme nicht möglich oder nicht tunlich, soll das Kfz fahrunfähig gemacht werden, z. B. durch Entfernen des amtlichen Kennzeichens.[5]

 

Rz. 12

Die Pfändung ist ein Verwaltungsakt, der durch tatsächliches Handeln des Vollziehungsbeamten ergeht. Wie die Pfändung erfolgt, steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen des Vollziehungsbeamten. Er hat also zu entscheiden, ob er die Sache wegnimmt oder ein Pfandsiegel anbringt. Eine gesetzliche Vorgabe hinsichtlich der Inbesitznahme der Gegenstände besteht nach § 286 Abs. 2 S. 1 AO nur für Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere, da es sich hierbei um besonders wertvolle Gegenstände handelt, die schnell fortgeschafft werden können.[6] Andere als diese Sachen hat der Vollziehungsbeamte nur dann in Gewahrsam zu nehmen, wenn ansonsten die Vollstreckung gefährdet würde. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn Anhaltspunkte für die Gefahr des Beseiteschaffens durch den Vollstreckungsschuldner oder einen Dritten bekannt sind.[7]

[1] Becker, in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 808 ZPO Rz. 11; Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 808 ZPO Rz. 15.
[2] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 286 AO Rz. 19.
[3] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 286 Rz. 10.
[4] Vgl. §§ 302, 303, 312 AO.
[5] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 286 Rz. 10; kritisch Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 286 AO Rz. 24.
[6] S. auch Abschn. 15 VollzA.
[7] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 286 AO Rz. 25.

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