1 Grundlagen

 

Rz. 1

§ 254 AO stellt neben § 249 AO und § 251 AO eine der zentralen Normen des Verwaltungsvollstreckungsrechts im steuerlichen Verfahrensrecht dar, da in dieser Vorschrift die Voraussetzungen normiert werden, bei deren Vorliegen mit der Vollstreckung begonnen werden darf. Die in § 254 AO genannten Voraussetzungen fanden sich dabei während der Geltung der RAO auch, doch waren die Bestimmungen über verschiedene Vorschriften in der RAO, der BeitrO und dem StSäumnG verteilt.[1] Ergänzende Verwaltungsanweisungen zu § 254 AO sind in Abschn. 19 VollStrA[2] zu finden. Die letzte Änderung der Bestimmung ist durch das Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften[3] erfolgt. Die Anforderung von Säumniszuschlägen kann nach dieser Gesetzesergänzung gem. § 254 Abs. 2 Satz 3 AO ausschließlich automationsgestützt erfolgen.

[1] Zur Rechtshistorie vgl. Jatzke, in HHSp, AO/FGO, § 254 AO Rz. 1ff.; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 254 AO Rz. 1.
[2] Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der Vollstreckung nach der AO, Vollstreckungsanweisung, BStBl I 1980, 12, zuletzt geändert durch BMF-Schreiben v. 23.10.2017, BStBl I 2017, 1374.
[3] Gesetz v. 12.12.2019, BGBl I 2019, 2451.

2 Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung

 

Rz. 2

§ 249 AO trifft hierbei die allgemeine Regelung, dass Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungswege vollstreckt werden können.[1] § 251 Abs. 1 AO normiert sodann ergänzend, wann ein Verwaltungsakt vollstreckt werden kann. In § 254 AO finden sich schließlich weitere Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Behörde mit der Vollstreckung beginnen darf. Es sind dies grundsätzlich drei Voraussetzungen:

  • Fälligkeit der Leistung,
  • Leistungsgebot,
  • Einhaltung einer Wochenfrist.

Keine Pflicht besteht zur Vorlage des Vollstreckungstitels. Eine § 757 ZPO[2] entsprechende Bestimmung gibt es für das Vollstreckungsrecht des steuerlichen Verwaltungsverfahrens in der AO nicht.[3]

[2] Seibel, in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 757 ZPO Rz. 2ff.

2.1 Fälligkeit der Leistung

 

Rz. 3

Erste Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung ist die Fälligkeit der Leistung, die von der Vollstreckungsbehörde geltend gemacht wird. Die Fälligkeit der Leistung bestimmt sich dabei regelmäßig nach den jeweiligen Einzelsteuergesetzen, auf die in § 220 Abs. 1 AO verwiesen wird.[1] Findet sich in dem jeweiligen Einzelsteuergesetz keine Regelung zur Fälligkeit der Leistung, bestimmt § 220 Abs. 2 AO, dass der Anspruch mit seiner Entstehung fällig wird, es sei denn, dass in einem Leistungsgebot eine Zahlungsfrist eingeräumt worden ist.[2] Nach § 221 AO kann zudem bei einer Verbrauchsteuer oder der USt die Fälligkeit unter gewissen Voraussetzungen vorverlegt werden.[3]

 

Rz. 4

Eine durch die Finanzbehörde gewährte Stundung nach § 222 AO bewirkt, dass die Fälligkeit auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben wird. Auch einen Zahlungsaufschub nach § 223 AO hat dies zur Folge. Bei einer Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO oder § 69 FGO ist in der Lit. umstritten, ob diese die Fälligkeit berührt[4] oder lediglich die Vollstreckbarkeit des Verwaltungsakts.[5] Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, da jedenfalls keine Vollstreckungsmaßnahmen nach einer gewährten Aussetzung der Vollziehung mehr zulässig sind.[6]

 

Rz. 5

Unbestritten keine Auswirkungen auf die Fälligkeit hat hingegen der Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO, da es sich hierbei lediglich um die zeitweilige Einstellung der Vollstreckung aus Billigkeitsgründen handelt. Auch eine Mahnung nach § 259 AO oder eine Niederschlagung nach § 261 AO berühren die Fälligkeit der Leistung nicht.

[1] S. insbesondere Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 220 AO Rz. 7ff. mit einer Darstellung der wichtigsten Bestimmungen zur Fälligkeit in den Einzelsteuergesetzen; auch Jatzke, in HHSp, AO/FGO, § 254 AO Rz. 18.
[2] Zu Einzelheiten s. Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 220 AO Rz. 12ff.; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 254 Rz. 2.
[3] Wöhner, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, Erl. zu § 221 AO.
[4] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 254 AO Rz. 3.
[5] Jatzke, in HHSp, AO/FGO, § 254 AO Rz. 21.

2.2 Leistungsgebot

 

Rz. 6

Zweite Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung ist, dass der Vollstreckungsschuldner zur Leistung, Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist. Der Gesetzgeber bezeichnet diese Aufforderung als Leistungsgebot. Bei dem Leistungsgebot handelt es sich um einen Verwaltungsakt, dessen Inhalt sich allein darin erschöpft, die Leistung zu fordern.[1] Das Leistungsgebot selbst ist noch keine Maßnahme der Vollstreckung, sondern geht dieser voraus.[2] Es ist allerdings zwingende Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung.[3]

 

Rz. 7

Damit ist das Leistungsgebot zu trennen vom Verwaltungsakt, dessen Leistung eingefordert wird. Es können aber beide Verwaltungsakte miteina...

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