Rz. 50

Anders als unter der Geltung der KO gibt es grundsätzlich keine Forderungen mehr, die vorrangig aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind. Dies gilt insbesondere auch für Steuerforderungen, die grundsätzlich wie alle anderen Forderungen behandelt werden. Steuerforderungen sind damit grundsätzlich Insolvenzforderungen und unterliegen auch den Beschränkungen der InsO. Sie können deshalb vor allem während der Dauer des Insolvenzverfahrens nicht vollstreckt werden[1], sondern sind zur Insolvenztabelle anzumelden und werden dann nach den §§ 189ff. InsO gleichmäßig befriedigt.

 

Rz. 51

Insolvenzforderungen sind nach § 38 InsO alle Forderungen, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung begründet sind.[2] Das Begründetsein setzt dabei nicht voraus, dass die Forderung auch tatsächlich bereits entstanden ist.[3] Vielmehr ist ausreichend, dass ein Anspruch im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits besteht und der schuldrechtliche Grund bereits geschaffen ist. Ausdrücklich keine Insolvenzforderungen, sondern Masseverbindlichkeiten sind nach § 55 Abs. 2 InsO die Verbindlichkeiten, die der vorläufige Insolvenzverwalter begründet hat, obwohl sie rein rechtlich vor der eigentlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind.[4]

 

Rz. 52

Aus der Definition des Begründetseins einer Forderung folgt, dass bei jedem Anspruch einzeln geprüft werden muss, ob dieser Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit ist.[5] Dies gilt auch dann, wenn vordergründig der Insolvenzverwalter gehandelt hat. Wenn etwa der Insolvenzverwalter lediglich in eine vom Schuldner bereits geschaffene schuldrechtliche Beziehung eingreift, handelt es sich bei den hieraus resultierenden Steuerforderungen um Insolvenzforderungen, nicht um Masseverbindlichkeiten. Besonders deutlich wird dies in den Fällen, in denen es sich um die insolvenzrechtliche Behandlung von Dauerschuldverhältnissen (z. B. Mietverhältnisse, Arbeitsverhältnisse) handelt.[6] Hier wird dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht eingeräumt.[7]

 

Rz. 53

Aus diesen allgemeinen Grundsätzen folgt für Steuerforderungen, dass diese dann Insolvenzforderungen sind, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt bereits vor der Verfahrenseröffnung verwirklicht worden ist. Der Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs ist unerheblich für diese Einordnung.[8] Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der BFH in verschiedenen Urteilen zur USt gesehen.[9] In diesen Entscheidungen hat der BFH auf die Erfüllung des steuerlichen Tatbestands abgestellt. Diese Ausnahme ist indes nicht als zutreffend anzusehen (s. im Einzelnen Rz. 111ff.). Auch hinsichtlich der Frage, ob eine Aufrechnung mit Insolvenzforderungen im Fall einer Berichtigung der USt nach § 17 UStG möglich ist, stellt der BFH nunmehr auf die Verwirklichung des Tatbestands nach § 17 Abs. 2 UStG ab.[10]

 

Rz. 54

Wird der Schuldner als Haftender von der Finanzverwaltung in Anspruch genommen, ist für die insolvenzrechtliche Einordnung auf das Begründetsein der Haftungsschuld und nicht auf das der Steuerschuld, für die gehaftet wird, abzustellen.[11] Hierbei ist jeder Haftungstatbestand gesondert zu prüfen. Die Steuerforderung nach § 14c UStG wegen eines unberechtigten Vorsteuerausweises ist auch keine Strafe, sondern sie hat Haftungscharakter.[12] Dieser Anspruch kann deshalb nach den allgemeinen Regelungen geltend gemacht werden und stellt keine Forderung i. S. v. § 39 InsO dar.[13]

 

Rz. 55

Für gewisse Forderungen, die durch die Finanzbehörden geltend gemacht werden können, ist ferner § 39 InsO zu beachten. Bestimmten Forderungen, die ohne die Sonderregelung des § 39 InsO als Insolvenzforderungen anzusehen wären, wird hier eine Nachrangigkeit zugewiesen. Hierzu gehören neben den seit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Zinsen insbesondere Geldstrafen, Geldbußen sowie Zwangsgelder. Nachrangige Forderungen sind deshalb vor allem Steuerzinsen nach §§ 233ff. sowie Kosten der Finanzbehörde für die Teilnahme am Insolvenzverfahren.[14] Anders als zu Zeiten der Geltung der KO sind diese Forderungen aber nicht vollständig von der Geltendmachung ausgeschlossen, sondern ebenfalls zur Tabelle anzumelden.[15] Sie werden jedoch erst nach den Insolvenzforderungen erfüllt.[16]

 

Rz. 56

Nicht unter die Bestimmung des § 39 InsO fallen jedoch Verspätungs- und Säumniszuschläge, da diese keine Zwangsgelder i. S. d. AO sind, sondern Druckmittel eigener Art.[17] Diese sind Insolvenzforderungen, wenn sie auf einer Fristversäumnis des Schuldners bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung beruhen.[18] Ferner sind Kosten der Vollstreckung aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung ebenfalls nicht als nachrangig anzusehen. § 39 InsO findet auf diese Ansprüche der Finanzverwaltung keine, auch keine analoge Anwendung.

 

Rz. 57

Ist eine Steuerforderung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits entstanden, aber noch nicht fällig, richtet sich die Behandlung nach der Regelung des § 41 InsO. Die Forderung gilt in diesem Fall als fällig, ist also als fällige Forderung zur Tab...

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