Rz. 26

Die Aussetzung der Vollziehung hat nicht das eigentliche Ziel, die Fälligkeit zu verschieben. Sie soll vielmehr einen vorläufigen Rechtsschutz bei Anhängigkeit eines Rechtsbehelfsverfahrens bieten, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung unbillig wäre. Sie steht in einem inneren Zusammenhang damit, dass durch die Einlegung des Einspruches nach § 361 Abs. 1 S. 1 die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht gehemmt wird. Dementsprechend hat die Aussetzung der Vollziehung zum Inhalt, dass für ihre Dauer keine weiteren Maßnahmen zur Durchsetzung des angefochtenen Verwaltungsaktes getroffen werden dürfen[1]. Beim Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) ergreift sie dessen Auswirkungen auf den Folgebescheid (vgl. § 361 Rz. 42). Bei Steuerbescheiden bezieht sich die Aussetzung auf die (weitere) Durchführung der Erhebung der Steuer oder eines Teiles der Steuer. Sie bekommt dadurch stundungsgleiche Wirkungen[2]. Die Aussetzung lässt dabei die rechtliche Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes selbst und die auf dem Verwaltungsakt beruhende bisherige Rechtslage unberührt. Sie setzt vorläufig die Weiterverfolgung der im Verwaltungsakt ausgesprochenen Verpflichtung durch den Steuergläubiger außer Kraft. Damit dürfen bei Steuerbescheiden Zahlungen aus diesem Verwaltungsakt und aus dem mit ihm verbundenen Leistungsgebot nicht mehr gefordert werden.

Die Aussetzung der Vollziehung kann — im Gegensatz zur Aufhebung der Vollziehung[3] — nur Wirkungen für die Zukunft haben[4]. Eine rückwirkende Aussetzung der Vollziehung kommt nicht in Betracht[5]. In diesen Fällen half und hilft der BFH allerdings durch Aufhebung der Vollziehung (siehe Rz. 29). Erst ab Bekanntgabe des Verwaltungsaktes über die Aussetzung der Vollziehung werden keine Säumniszuschläge mehr verwirkt. Umgekehrt können für die Zeit zwischen Fälligwerden und Aussetzung der Vollziehung keine Aussetzungszinsen nach § 237 erhoben werden (vgl. § 237 Rz. 13).

 

Rz. 27

Wird eine vor Fälligkeit beantragte Aussetzung erst nach dem Fälligkeitstag gewährt, so werden mangels der Möglichkeit der Rückwirkung anders als bei der Stundung (vgl. Rz. 23) in jedem Fall Säumniszuschläge verwirkt. I.d.R. verfahren allerdings die Finanzämter wie bei der Stundung (vgl. BMF v. 2.1.1984, AO-Kartei, § 240 Karte 3) und verzichten auf die Erhebung der Säumniszuschläge. Dies geschieht durch stillschweigenden Erlass der Säumniszuschläge, wobei dann auch Stundungszinsen nicht erhoben werden können. Entsprechend dem Verfahren bei der Stundung wird bei der Ablehnung des rechtzeitig gestellten Aussetzungsantrages häufig noch eine Zahlungsfrist gewährt. Das FA spricht damit rückwirkend ab Fälligkeit eine Stundung aus. In diesem Fall können Stundungszinsen erhoben werden.

 

Rz. 28

Bei einer Aussetzung der Vollziehung, die von Amts wegen oder auf einen nach Fälligkeit gestellten Antrag gewährt wird, sind ebenfalls Säumniszuschläge für die Zeit zwischen dem Fälligkeitstag und dem Aussetzungszeitpunkt verwirkt. In diesen Fällen können die Säumniszuschläge im Billigkeitsweg erlassen werden (vgl. Rz. 40ff.). Tipke/Kruse, AO, § 240 Rz. 24 erreichen für den Fall, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung schon bei Anspruchsfälligkeit erfüllt waren, dieses Ergebnis durch Annahme eines Übermaßes. BFH v. 7.2.1990, X R 154/87, BFH/NV 1991, 5 hat im Übrigen die in BMF v. 2.1.1984, AO-Kartei, § 240 Karte 3 enthaltene Ermessenseinengung auf die erste Ablehnung des Begehrens auf Aussetzung der Vollziehung beschränkt. Für Billigkeitsmaßnahmen im Fall einer abgelehnten Aussetzung der Vollziehung und späterer Herabsetzung der Steuer im gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren vgl. Rz. 56.

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