Rz. 2

Anders als bei § 163 AO können im Rahmen des § 227 AO alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlassen werden, also auch steuerliche Nebenleistungen und Haftungsansprüche.[1] Zum Erlass von Säumniszuschlägen vgl. Rz. 28 sowie § 240 AO Rz. 48ff. Zu Aussetzungszinsen vgl. § 237 AO Rz. 16. § 234 Abs. 2 AO und § 237 Abs. 4 AO enthalten zwar spezielle Billigkeitsregelungen, die sich in den Voraussetzungen mit § 227 AO decken und dieser Vorschrift daher vorgehen. Allerdings sind diese Vorschriften angesichts der umfassenden Regelung des § 227 AO überflüssig. Die besondere Regelung für Stundungszinsen und Aussetzungszinsen bedeutet jedoch nicht, dass die Anwendung des § 227 AO bei anderen Zinstatbeständen, die keine spezielle Billigkeitsregelung vorsehen, ausgeschlossen wäre. § 227 AO ist daher auf Zinsen nach § 233a AO und Hinterziehungszinsen, § 235 AO, anwendbar.[2]

§ 227 AO wird für Einfuhr- und Ausfuhrabgaben i. S. d. Art. 5 Nr. 20 und 21 ZK durch den Zollkodex der EU überlagert.[3] Ein- und Ausfuhrabgaben sind Zölle, zollgleiche Abgaben, Abschöpfungen und andere bei Einfuhr oder Ausfuhr erhobene Abgaben. Der Zollkodex enthält in Art. 116, 120f. ZK Vorschriften zum Erlass der Ein- und Ausfuhrabgaben aus Gründen der Billigkeit, die § 227 AO verdrängen.[4] Insoweit ist § 227 AO also nicht anwendbar. Auf örtliche Aufwands- und Verbrauchsteuern ist § 227 AO im Rahmen der Kommunalabgabengesetze, auf die KiSt im Rahmen der Kirchensteuergesetze der Länder anwendbar. Zu Billigkeitsmaßnahmen bei den Verbrauchsteuern vgl. § 163 AO Rz. 28; zu Billigkeitsmaßnahmen in der Insolvenz vgl. § 163 AO Rz. 8.

 

Rz. 3

Der Erlass einer Haftungsschuld ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil bei der Ermessensentscheidung, ob der Haftende in Anspruch genommen werden soll, auch Billigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Die Abwägung bei Erlass eines Haftungsbescheids kann von anderen Prinzipien ausgehen als die bei der Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme.[5]

 

Rz. 4

Anwendbar ist § 227 AO auch auf Steuervergütungen (Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, § 37 AO) sowie auf die Ansprüche, die wie Steuervergütungen behandelt werden. Erlassen werden können daher auch die Ansprüche aus der Rückforderung von Steuererstattungen, Steuervergütungen, von InvZul, Wohnungsbauprämien, Sparprämien und der Arbeitnehmersparzulage.

 

Rz. 5

Andererseits folgt aus der Verweisung auf das "Steuerschuldverhältnis" in Abs. 1, dass Voraussetzung für eine Anwendung des § 227 AO das Bestehen eines Steuerschuldverhältnisses ist. Zum Begriff des Steuerschuldverhältnisses vgl. Rz. 7. Voraussetzung ist also, dass zwischen dem Stpfl., der einen Erlass nach § 227 AO begehrt, als Steuerschuldner und der Finanzbehörde als Steuergläubiger Steueransprüche i. S. d. § 37 AO bestehen oder bestanden haben. Es genügt nicht, dass zwischen diesen ein Steuerpflichtverhältnis i. S. d. § 33 AO besteht, ohne dass ein Steuerschuldverhältnis besteht. Geldstrafen und Geldbußen können daher nicht nach § 227 AO, sondern nur im Gnadenweg erlassen werden, da sie keine Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, § 37 AO, sind. Das bedeutet weiter, dass der wirtschaftlich von einer Steuer Belastete keinen Erlass beantragen kann, wenn er nicht selbst Steuerschuldner der Steuer ist oder gewesen ist. Von Bedeutung ist dies für indirekte Steuern, USt und Verbrauchsteuern, wonach nur der Steuerschuldner der indirekten Steuer Erlass beantragen kann, nicht aber ein Abnehmer, auf den die Steuer überwälzt worden ist, dem aber seinerseits die weitere Überwälzung auf seinen Abnehmer misslingt[6], oder der Endverbraucher.

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