Rz. 28

Weitere Voraussetzung der Aufrechnung ist nach § 387 BGB, dass die Forderung des Aufrechnenden (die Gegenforderung) entstanden und fällig ist, der aufrechnende Gläubiger also die ihm gebührende Leistung fordern kann.[1] Die Fälligkeit der Forderung des Aufrechnenden ist unabdingbare Wirksamkeitsvoraussetzung für die Aufrechnung.[2] Hängt die Fälligkeit der aufrechnenden Steuerforderung noch von der Festsetzung des Steueranspruchs ab, ist eine Aufrechnung vor Festsetzung daher unwirksam.[3] Die Aufrechnung wird auch nicht wirksam, wenn später Fälligkeit eintritt, und zwar weder ex tunc noch es nunc ab Fälligkeit. Es muss vielmehr erneut die Aufrechnung erklärt werden.[4] Rechnet der Steuergläubiger auf, ist Bestandskraft seiner (der aufrechnenden) Forderung jedoch nicht erforderlich[5], es genügt Vollziehbarkeit.

 

Rz. 29

Ist die Forderung des aufrechnenden Steuergläubigers noch gestundet, setzt eine wirksame Aufrechnung daher den Widerruf oder die Rücknahme der Stundung voraus. Widerruf der Stundung und Aufrechnungserklärung können zeitgleich erfolgen. Wird jedoch eine Stundung rückwirkend gewährt, führt dies nicht zu einem Wegfall der vorher bestehenden Aufrechnungslage.[6] Dagegen hat ein Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO keine Stundungswirkung.[7] Der Anspruch bleibt fällig, es entstehen weiter Säumniszuschläge. Die Aufrechnungserklärung der Finanzbehörde setzt daher nicht den Widerruf des Vollstreckungsaufschubs voraus.[8] Das ergibt sich auch daraus, dass die Aufrechnung zwar eine Maßnahme des Erhebungsverfahrens ist, aber keine Vollstreckungsmaßnahme i. S. d. § 258 AO.

 

Rz. 30

Die fällige Forderung aus einem Vorauszahlungsbescheid bleibt auch dann fällig, wenn der Jahressteuerbescheid ergeht.[9] Der Vorauszahlungsbescheid verliert zwar durch Erlass des Jahressteuerbescheids seine Wirkung, die durch den Vorauszahlungsbescheid eingetretenen Rechtsfolgen bleiben aber bestehen. Damit bleibt auch eine vor Erlass des Jahressteuerbescheids entstandene Aufrechnungslage erhalten. Der Höhe nach ist die Aufrechnung allerdings insoweit beschränkt, als die Vorauszahlungsschuld in der Jahressteuerschuld noch enthalten ist, diese also nicht niedriger ist.[10]

 

Rz. 31

Für den Fall des Insolvenzverfahrens hat die Rechtsprechung die Voraussetzung der Fälligkeit erweiternd ausgelegt.[11] Eine im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene, aber noch nicht festgesetzte und fällige Steuer soll danach als fällig gelten. Begründet wird dies damit, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Steuerfestsetzung nicht mehr ergehen kann und sich die Fälligkeit daher nicht mehr nach § 220 Abs. 2 S. 2 AO, sondern nach § 220 Abs. 2 S. 1 AO, also Fälligkeit mit Entstehen, richte. Die Fälligkeit setzt danach auch nicht die Anmeldung oder Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle voraus. M. E. ist dem nicht zu folgen, da die Frage der Fälligkeit im Insolvenzverfahren durch § 41 InsO abschließend geregelt ist.[12]

 

Rz. 32

Dagegen hat die Aussetzung der Vollziehung, § 361 AO, zur Folge, dass die Steuerforderung ihre Vollziehbarkeit verliert. Die Finanzverwaltung darf während des Bestehens der Aussetzung der Vollziehung keine Maßnahme ergreifen, die der Verwirklichung des Steueranspruchs dient. Dazu gehört auch die Aufrechnung.[13] Solange die Aussetzung der Vollziehung wirksam ist, ist die Forderung des Steuergläubigers auch nicht fällig, so dass auch aus diesem Grund eine Aufrechnung während der Gültigkeit der Aussetzung der Vollziehung nicht möglich ist. Eine Aussetzung der Vollziehung der Forderung des Steuergläubigers schließt danach die Aufrechnung durch den Steuergläubiger aus.[14] Ist über den Aussetzungsantrag noch nicht entschieden, kann die Behörde aufrechnen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Aufrechnung hat sie aber den schwebenden Aussetzungsantrag zu berücksichtigen.[15] Ist die Aufrechnung seitens der Behörde vor der Aussetzung der Vollziehung erklärt worden, handelt es sich um eine Form der Vollziehung, sodass nunmehr über die Aufhebung der Vollziehung zu entscheiden ist, die die Wirkungen der Aufrechnung beseitigt.

 

Rz. 33

Die Hauptforderung des Aufrechnungsgegners, gegen die aufgerechnet wird, muss erfüllbar, sie braucht nicht fällig zu sein. Erfüllbar ist die Forderung, wenn sie besteht; Fälligkeit ist dazu nicht erforderlich. Handelt es sich bei der gegen den Aufrechnenden gerichteten Forderung um eine Forderung auf Erstattung gezahlter Steuern, ist weiter nicht Voraussetzung, dass die Erstattungsforderung festgesetzt ist.[16] Das FA kann auch eine noch nicht festgesetzte und nicht fällige Forderung des Stpfl. erfüllen, sodass eine entstandene Forderung "erfüllbar" für Zwecke der Aufrechnung ist. Das gilt selbst dann, wenn die Fälligkeit der Erstattungsforderung die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids voraussetzt, dies aber noch nicht erfolgt ist. Die Finanzbehörde kann eine materiell bestehende Erstattungsforderung auch dann erfüllen, wenn dem noch ein Steuerbescheid ent...

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