Rz. 15

Die Aufrechnung ist nach § 387 BGB nur zulässig, wenn Gegenseitigkeit besteht, d. h., wenn jeweils der Gläubiger der einen Forderung auch der Schuldner der anderen Forderung ist. An der Gegenseitigkeit fehlt es, wenn Schuldner der aufrechnenden Forderung eine Personengesellschaft, Gläubiger der Hauptforderung dagegen ein Gesellschafter ist, oder umgekehrt. Gegenseitigkeit liegt auch nicht im Verhältnis zwischen zwei Personengesellschaften, zwischen zwei Kapitalgesellschaften oder zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft vor, selbst wenn an den Gesellschaften jeweils die gleichen Personen beteiligt sind, auch dann nicht, wenn die Gesellschaften organschaftlich verbunden sind.[1] Bei Organschaft ermöglicht es aber § 73 AO der Finanzbehörde, durch einen Haftungsbescheid gegen die Organgesellschaft die Gegenseitigkeit herzustellen und dann mit einer der Organgesellschaft zustehenden Hauptforderung aufzurechnen. Keine Gegenseitigkeit besteht auch bei Steuerschuldner und Haftungsschuldner. Die gegen den haftenden bestehende Haftungsschuld kann also nicht durch Aufrechnung einer dem Steuerschuldner zustehenden Forderung getilgt werden, und umgekehrt.

 

Rz. 16

Ein Steuererstattungsanspruch steht demjenigen zu, der die zu erstattende Steuer gezahlt hat. Das gilt auch für zusammenveranlagte Ehegatten; diese werden nicht etwa Gesamtgläubiger des Steuererstattungsanspruchs.[2] Die Aufrechnung eines Steueranspruchs gegen einen Steuererstattungsanspruch ist daher auch bei Ehegatten nur zulässig, wenn sich der Steueranspruch gerade gegen den Inhaber des Steuererstattungsanspruchs richtet. Steht dagegen der Steuererstattungsanspruch dem Ehegatten zu, ist Gegenseitigkeit nicht gegeben, sodass die Aufrechnung nicht möglich ist.[3]

 

Rz. 17

Besteht Gesamtschuldnerschaft[4] kann jeder Gesamtschuldner mit einer Forderung aufrechnen, die ihm gegenüber dem Gläubiger zusteht. Ein Gesamtschuldner kann aber nicht mit einer Forderung aufrechnen, die einem anderen Gesamtschuldner gegen den Gläubiger zusteht, da es insoweit an der Gegenseitigkeit fehlt.[5] Erfüllung durch Aufrechnung durch einen Gesamtschuldner kommt jedem Gesamtschuldner zugute. Der Gläubiger kann gegenüber jedem Gesamtschuldner aufrechnen, dem er eine gleichartige Leistung schuldet.

 

Rz. 18

Die Gesamtschuldnerschaft aufgrund einer Zusammenveranlagung endet, wenn die Steuerschuld nach §§ 268ff. AO aufgeteilt wird, sodass eine Aufrechnung dann insoweit nur noch mit Forderungen gerade des Schuldners möglich ist. Zwar ist die Aufteilung einer Gesamtschuld, §§ 268ff. AO, eine Maßnahme des Vollstreckungsverfahrens, entfaltet also nach § 278 AO an sich nur Wirkungen bei der Vollstreckung, zu der die Aufrechnung nicht gehört. Die Wirkung der Aufteilung ist aber, entsprechend der vom BVerfG geforderten verfassungskonformen Auslegung[6], dass sich die Gesamtschuld in Teilschulden verändert.[7] Daher ist die Schuld auch für die Aufrechnung als Teilschuld, nicht mehr als Gesamtschuld, zu behandeln.[8] Die Aufteilung beseitigt also die Gegenseitigkeit und damit die Aufrechnungslage. Der Aufteilungsantrag kann allein zu dem Zweck gestellt werden, die Aufrechnung auszuschließen.[9]

Entsprechendes gilt, wenn die Aufrechnungserklärung zeitlich vor der Aufteilung der Gesamtschuld, aber nach Stellung des Aufteilungsantrags erfolgt. Dann wird die Aufrechnung mit Ergehen des Aufteilungsbescheids rückwirkend unwirksam.[10]

Ist ein Aufteilungsantrag nach § 268 AO nicht gestellt worden, bleibt die Aufrechnung jedoch zulässig, es besteht dann weiterhin Gesamtschuldnerschaft. Nach vollständiger Tilgung der Schuld, z. B. durch Aufrechnung, kann ein zulässiger Aufteilungsantrag nach § 269 Abs. 2 S. 2 AO nicht mehr gestellt werden.[11] Der Aufteilungsantrag muss daher vor der Tilgung der Schuld durch Aufrechnung gestellt werden, um die Aufrechnung zu verhindern. Die bloße Möglichkeit, einen Aufteilungsantrag zu stellen, ist keine Einrede i. S. d. § 390 BGB und schließt die Aufrechnung daher nicht aus.[12]

 

Rz. 19

Entsprechendes gilt für Gesamtgläubigerschaft.[13] Jeder Gesamtgläubiger kann die Gesamtforderung mit der Verbindlichkeit aufrechnen, die er gegenüber dem Schuldner schuldet. Gegen eine Verbindlichkeit eines anderen Gesamtgläubigers kann er nicht aufrechnen, da die Gegenseitigkeit fehlt. Erfüllung durch Aufrechnung wirkt gegenüber jedem Gesamtgläubiger. Der Schuldner kann gegenüber jedem Gesamtgläubiger aufrechnen, gegen den er eine Forderung auf eine gleichartige Leistung hat.

 

Rz. 20

Gläubiger der Steuerforderung im Rahmen der Gegenseitigkeit ist an sich diejenige Körperschaft, der die Ertragshoheit zusteht.[14] Dies ergibt sich mittelbar aus dem Wort "auch" in § 226 Abs. 4 AO. Es kommt auf die rechtliche (verfassungsrechtliche) Ertragshoheit an. § 252 AO, der bestimmt, dass als Gläubiger der Träger der Vollstreckungsbehörde gilt, ist eine Sonderregelung für das Vollstreckungsverfahren, gilt nicht für die Aufrechnung und begründet daher keine Gegenseitigkeit.[15] Bei Gemeinschaftssteuern be...

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