1 Allgemeines

1.1 Inhalt und Bedeutung

 

Rz. 1

§ 22 AO regelt die örtliche Zuständigkeit für die Realsteuern, d. h. die Gewerbesteuer und die Grundsteuer, soweit deren Verwaltung den Landesfinanzbehörden obliegt.

Abs. 1 regelt die örtliche Zuständigkeit für die Festsetzung und Zerlegung der Steuermessbeträge. Steuermessbeträge werden nach § 184 Abs. 1 S. 1 AO durch Steuermessbescheide festgesetzt. Die Steuermessbescheide sind für die Steuerfestsetzung bindend. Mit ihrer Festsetzung wird auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden.[1] S. 1 begründet für die Grundsteuer die Zuständigkeit des Lagefinanzamts und für die Gewerbesteuer die Zuständigkeit des Betriebsfinanzamts. S. 2 begründet davon abweichend bei Unternehmen, die Bauleistungen i. S. v. § 48 Abs. 1 S. 3 EStG erbringen, für die Festsetzung und Zerlegung der Gewerbesteuermessbeträge eine Zuständigkeit des FA, das nach § 21 Abs. 1 AO für die Besteuerung der entsprechenden Umsätze zuständig ist, wenn der Unternehmer seinen Wohnsitz oder das Unternehmen seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz außerhab des Geltungsbereichs der AO hat.

Abs. 2 regelt die örtliche Zuständigkeit für den Fall, dass den FÄ die Festsetzung, Erhebung und Beitreibung der Realsteuern obliegt.

Abs. 3 erklärt die Vorschriften des Abs. 2 für sinngemäß anwendbar, soweit einem Land nach Art. 106 Abs. 6 S. 3 GG das Aufkommen der Realsteuern zusteht.

Der Aufbau der Vorschrift trägt der in den meisten Bundesländern praktizierten Aufteilung der Realsteuerverwaltung auf Landesfinanzbehörden (Festsetzung und Zerlegung der Steuermessbeträge, Abs. 1) und Gemeindebehörden (Steuerfestsetzung und -erhebung, Abs. 2) Rechnung. Nach Art. 108 Abs. 2 GG steht die Verwaltung dieser Steuern an sich zwar den Ländern zu. Diese können sie jedoch gem. Art. 108 Abs. 4 S. 2 GG ganz oder teilweise auf die Gemeinden übertragen. Von dieser Möglichkeit haben alle Länder mit Ausnahme der Stadtstaaten Gebrauch gemacht.[2] Für die Festsetzung und Zerlegung der Realsteuermessbeträge sind aber in allen Ländern die FÄ zuständig geblieben.

[2] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 22 AO Rz. 3; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 22 AO Rz. 1.

1.2 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

Die Vorschrift gilt für die Realsteuern, d. h. die GrSt und die GewSt.[1]

Abs. 1 gilt für die Festsetzung und Zerlegung der Steuermessbeträge.[2] Diese Zuständigkeit schließt im Fall der GewSt auch die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts nach § 10a GewStG[3] ein. Die Zuständigkeit zur Festsetzung der Messbeträge ist auf die Zuteilung von Steuermessbeträgen[4] entsprechend anwendbar.[5]

Die Zuständigkeit der Gemeinden für die Festsetzung und Erhebung der Realsteuern wird nicht durch § 22 AO geregelt, da die Vorschriften über die Zuständigkeit nicht Gegenstand der Verweisung in § 1 Abs. 2 AO sind. Sie ergibt sich aus der Ertragshoheit.[6]

[2] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 22 AO Rz. 6; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 22 AO Rz. 5; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 22 Rz. 3; Koenig/Pätz, AO, 4. Aufl. 2021, § 22 Rz. 6; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 22 AO Rz. 12.
[5] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 22 AO Rz. 6; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 22 AO Rz. 7; Koenig/Pätz, AO, 4. Aufl. 2021, § 22 Rz. 6; a. A. Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 22 AO Rz. 13.
[6] § 1 GrStG, § 4 GewStG; Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 22 AO Rz. 8.

1.3 Verhältnis zu anderen Vorschriften

 

Rz. 3

Für den Bereich der Realsteuern enthält § 22 AO eine abschließende Regelung der örtlichen Zuständigkeit. Auch bei Körperschaften kommt § 20 AO insoweit nicht zur Anwendung.[1]

Die Auskunfts- und Teilnahmerechte der Gemeinden bei einer Verwaltung der Realsteuern durch Landesfinanzbehörden sind in § 21 Abs. 3 FVG geregelt.

[1] BFH v. 15.12.1992, VIII R 42/90, BStBl II 1994, 702; Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 22 AO Rz. 14; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 22 AO Rz. 2; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 22 AO Rz. 4.

2 Festsetzung und Zerlegung der Realsteuermessbeträge (Abs. 1)

2.1 Zuständigkeit des Lage- bzw. Betriebsfinanzamts (Abs. 1 S. 1)

2.1.1 Grundsteuermessbeträge

 

Rz. 4

Steuergegenstand der GrSt ist nach § 2 GrStG der Grundbesitz i. S. d. BewG, d. h. Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, Betriebsgrundstücke und Grundstücke im Grundvermögen. Die GrSt ergibt sich aus der Multiplikation des Steuermessbetrags oder des Zerlegungsanteils mit dem als Hebesatz festgelegten Prozentsatz.[1]

Örtlich zuständig für die Festsetzung und Zerlegung der Steuermessbeträge ist das Lagefinanzamt[2], d. h. das FA, in dem der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, das Grundstück oder das Betriebsgrundstück liegt. Erstreckt sich der Steuergegenstand über die Bezirke mehrerer FÄ, kommt es auf die Lage des wertvollsten Teils an. Maßgebend ist dabei der steuerliche Wert nach dem BewG.[3]

[3] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 22 AO Rz. 16; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 22 AO Rz. 14.

2.1.2 Gewerbesteuermessbeträge

 

Rz. 5

Für die Festsetzung und Zerlegung des einheitlichen GewSt-Messbetrags[1] ist das Betriebs-FA[2] zuständig. Das ist das FA, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet, bei gewerblichen Betrieben ohne Geschäftsleitung im Inland das FA, in dessen Bezir...

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