Rz. 96

Fallen Wohnsitz und Betriebs- bzw. Tätigkeitsort auseinander, so ist nach § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b AO bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und freiberuflicher Tätigkeit (nicht die übrigen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit) auch dann eine gesonderte Gewinnfeststellung vorzunehmen, wenn nicht mehrere an den Einkünften beteiligt sind. Dem Betriebs-FA, dem Belegenheitsfinanzamt und dem Tätigkeitsfinanzamt ist es in diesen Fällen besser möglich als dem Wohnsitzfinanzamt, den Gewinn zu ermitteln. Unterhält der Stpfl. mehrere selbstständige Gewerbebetriebe, für die jeweils Betriebsstätte und Wohnort auseinanderfallen, ist für jeden Gewerbebetrieb eine eigenständige gesonderte Feststellung vorzunehmen.[1]

 

Rz. 96a

Die gesonderte Feststellung nach Nr. 2 Buchst. b und die einheitliche und gesonderte Feststellung nach Nr. 2 Buchst. a sind jeweils selbstständige Verfahren, deren Regelungsbereiche sich nicht überschneiden. Dabei ist die einheitliche und gesonderte Feststellung vorrangig. Wenn Einkünfte durch mehrere Personen bezogen werden, kommt nur die Feststellung nach Nr. 2 Buchst. a in Betracht, auch wenn zusätzlich die Voraussetzungen der Feststellung nach Nr. 2 Buchst. b vorliegen. Daher dürfen in einen gesonderten Feststellungsbescheid nach Nr. 2 Buchst. b solche Einkünfte nicht einbezogen werden, die gemeinschaftlich mit anderen erzielt wurden und für die ein Feststellungsverfahren nach Nr. 2a durchzuführen ist.[2]

 

Rz. 96b

Die Bestimmung, welches FA das Betriebs-, Belegenheits- oder Tätigkeitsfinanzamt ist, richtet sich nach § 18 AO. Danach gilt

  • bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft das FA, in dessen Bezirk der Betrieb (d. h. die Grundstücke) belegen sind[3];
  • bei gewerblichen Betrieben das FA, in dessen Bezirk die Geschäftsleitung belegen ist[4];
  • bei freiberuflicher Tätigkeit das FA, von dessen Bezirk aus die Berufstätigkeit überwiegend ausgeübt wird.[5]

Zum Tätigkeitsort bei einem Lotsen vgl. BFH v. 9.8.1995, XI R 109/92, BFH/NV 1996, 404.

 

Rz. 97

Das Auseinanderfallen von Betriebs-, Belegenheits- oder Tätigkeitsfinanzamt einerseits und Wohnsitzfinanzamt andererseits ist Tatbestandsvoraussetzung der gesonderten Feststellung. Es handelt sich trotz des Anknüpfens an die örtliche Zuständigkeit nicht um eine Zuständigkeitsregelung, bei der ein Fehler in der örtlichen Zuständigkeit nach § 127 AO unbeachtlich wäre.[6] Es handelt sich aber auch nicht um eine sachliche Zuständigkeit;[7] eine sachliche Zuständigkeit läge nur vor, wenn eine Behörde in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Behörde eingreift, also jedenfalls eine Behörde zuständig wäre. Im vorliegenden Fall geht es aber um die Zulässigkeit einer Feststellung überhaupt. Daher ist bei Fehlen der Voraussetzungen überhaupt keine Behörde zuständig, weil die Feststellung unzulässig ist.

 

Rz. 98

Das Gesetz sieht in Nr. 2 Buchst. b als Regel an, dass der Stpfl. einen Wohnsitz und einen Betriebs- und Tätigkeitsort hat. Hat der Stpfl. mehrere Wohnsitze, ermöglicht § 19 AO eine eindeutige Bestimmung des Wohnsitzfinanzamt. Es kann daher nicht zur Kollision mehrerer Wohnsitzfinanzämter kommen. Hat der Stpfl. mehrere Betriebs- oder Tätigkeitsorte, lässt sich aus dem Gesetz ebenfalls eine eindeutige Regelung für die gesonderte Feststellung entnehmen. Nach § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b AO sind "die Einkünfte" festzustellen. Das schließt es jedenfalls aus, für die Teileinkünfte, die aus dem jeweiligen Betriebs- oder Tätigkeitsort erzielt werden, jeweils eine gesonderte Feststellung vorzunehmen.[8] Das Gesetz erfordert die Feststellung der (Gesamt-)Einkünfte aus der jeweiligen Einkunftsart, erlaubt also nicht die Feststellung von Teileinkünften. Diese Feststellung ist von dem nach § 18 AO zuständigen FA vorzunehmen, d. h. bei Land- und Forstwirtschaft das Lagefinanzamt des wertvollsten Teils des land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes, bei gewerblichen Betrieben das FA der Geschäftsleitung bzw. das der wirtschaftlich bedeutendsten Betriebsstätte, bei freiberuflicher Tätigkeit das FA, von dessen Bezirk aus die Tätigkeit überwiegend ausgeübt wird.[9]

Ist in einem solchen Fall das nach § 19 AO zuständige FA gleichzeitig das Wohnsitzfinanzamt nach § 18 AO, hat keine gesonderte Feststellung zu erfolgen, weil nicht die Zuständigkeit zweier FÄ gegeben ist. Das Wohnsitzfinanzamt hat dann bei der Steuerfestsetzung auch über die Besteuerungsgrundlagen der auswärtigen Betriebs- oder Tätigkeitsorte zu entscheiden, ohne dass vorher eine gesonderte Feststellung vorzunehmen ist.[10]

 

Rz. 99

Zu einer gesonderten Feststellung nach Nr. 2 Buchst. b kann es nur kommen, wenn in dem maßgeblichen Zeitpunkt Betriebs-, Belegenheits- und Tätigkeitsfinanzamt einerseits und WohnsitzfinanzamtA andererseits auseinanderfallen.

Maßgebender Zeitpunkt hierfür war ursprünglich der Zeitpunkt der Steuerfestsetzung (d. h. des letzten Verwaltungshandelns, nicht der des Wirksamwerdens des Bescheids nach § 124 AO); nicht maßgebend waren danach die im Besteuerung...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge