Rz. 12

Anwendbar ist § 176 AO auf alle Steuerbescheide sowie diejenigen Verwaltungsakte, die wie Steuerbescheide behandelt werden.[1] Zur Anwendung bei den einzelnen Änderungstatbeständen Rz. 18ff. Da Steueranmeldungen die Wirkung von Steuerbescheiden haben, greift § 176 AO auch bei der Änderung der in einer Steueranmeldung bestehenden Steuerfestsetzung ein.[2] Hat nach einer Voranmeldung allerdings noch ein Jahresbescheid zu ergehen, wie bei der USt, schützt die Bestandskraft der Voranmeldung nicht gegen eine Richtigstellung in dem Jahresbescheid (vgl. Rz. 13a). Dagegen werden Haftungsbescheide nicht wie Steuerbescheide behandelt. Für ihre Änderung gilt § 176 AO nicht. Der Erlass und die Änderung von Haftungsbescheiden liegen aber im Ermessen der Finanzbehörde. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist auch ein notwendiger Vertrauensschutz des Stpfl. zu berücksichtigen.

 

Rz. 13

Der Vertrauensschutz gilt auch, wenn der Bescheid vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist.[3] Ebenfalls umfasst von der Regelung des § 176 AO werden Steuerfestsetzungen, die kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, also insbesondere Steueranmeldungen nach §§ 167, 168 AO. Es liegt nicht in der Hand des Stpfl. zu beeinflussen, wann die endgültige Nachprüfung erfolgt. Er soll daher in der nicht mehr seiner Beeinflussung unterstehenden Zwischenzeit gegen nachteilige Veränderungen der durch den (unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen oder vorläufigen) Steuerbescheid geschaffenen Rechtsposition geschützt werden. Diese Auslegung wird auch durch Abs. 1 S. 2 gestützt. Wenn hier die kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steueranmeldungen angesprochen werden, hat diese Regelung nur Sinn, wenn Steueranmeldungen grundsätzlich den Schutz des § 176 AO genießen. Wieso aus dieser Erwähnung der Steueranmeldungen nichts für den Anwendungsbereich des § 176 AO geschlossen werden kann[4], ist unerfindlich.

Die Anwendung des § 176 AO auf Vorbehaltsbescheide lässt sich auch mit einem Argument "a maiore ad minus" begründen: Wenn schon Vertrauensschutz eingreifen kann, wenn nur der Stpfl. die Steuer errechnet hat, dann erst recht, wenn dies die Verwaltung tut.

 

Rz. 13a

Ist die Steueranmeldung eine Voranmeldung, ist die Reichweite des § 176 AO aber begrenzt. § 176 AO schützt nur vor einer Änderung der konkreten Steuerfestsetzung, nicht aber vor einer neuen Steuerfestsetzung. Bei einer Voranmeldung hat häufig eine Jahresanmeldung bzw. eine Jahres-Steuerfestsetzung zu erfolgen, die eine erstmalige Steuerfestsetzung ist, keine Änderung der Voranmeldung. Tritt der den Vertrauensschutz hervorrufende Tatbestand in dem Zeitraum zwischen Abgabe der Voranmeldung und der Jahres-Steuerfestsetzung ein, ist die Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG oder des obersten Gerichtshofes des Bundes in der Jahres-Steuerfestsetzung nicht ausgeschlossen. Berücksichtigt wird die Entscheidung des Gerichts dann in einer erstmaligen Steuerfestsetzung, nicht bei einer Änderung einer Steuerfestsetzung. Bei Steueranmeldungen greift der uneingeschränkte Vertrauensschutz daher nur ein, wenn keine Jahres-Anmeldung mehr erfolgt, wie bei der LSt-Anmeldung. Soweit es sich um eine Voranmeldung handelt, auf die eine Jahres-Steueranmeldung oder Steuerfestsetzung erfolgt, wie bei der USt, geht der Vertrauensschutz hinsichtlich der Voranmeldung ins Leere.[5]

 

Rz. 14

§ 176 AO ist auch anwendbar für die Bildung der elektronischen Steuerabzugsmerkmale bzw. früher für Eintragungen auf der LSt-Karte. Beides wird wie eine Feststellung von Besteuerungsgrundlagen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung behandelt.[6] Die Bedeutung dieser Anwendung des § 176 AO ist aber gering, da die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale bindende Wirkungen nur für den LSt-Abzug, nicht aber für die ESt-Veranlagung entfalten.

LSt-Anmeldung und Pauschalierungsbescheid stehen zueinander im Verhältnis von erstmaligem Bescheid und Änderungsbescheid, da der Pauschalierungsbescheid die LSt-Anmeldung ändert. Der Vertrauensschutz greift daher ein.[7]

 

Rz. 15

Da § 176 AO für alle Steuerbescheide und wie Steuerbescheide behandelte Bescheide gilt, greift der Vertrauensschutz auch bei Verbrauchsteuerbescheiden (einschl. der EUSt) ein. Entsprechendes gilt für Verbrauchsteueranmeldungen.

 

Rz. 16

Für Zölle, Abschöpfungen und sonstige Eingangs- und Ausfuhrabgaben ist nationales Recht von EU-Recht verdrängt worden.[8] Für die Aufhebung und Änderung der Festsetzung von Bescheiden im Bereich des Zollrechts (Eingangsabgaben, Ausfuhrabgaben, Abschöpfungen) wird § 176 AO überlagert durch Art. 220, 235ff. ZK.[9] Der ZK enthält in Art. 120 ZK eine eigenständige Regelung, die § 176 AO entspricht. § 176 AO wird dadurch verdrängt.

 

Rz. 16a

Voraussetzung der Anwendung des § 176 AO ist weiterhin, dass die Änderung zuungunsten des Stpfl. wirken würde. Wirkt die Änderung zu seinen Gunsten, verhindert § 176 AO die Steuerfestsetzung nicht. Vertrauensschutz zugunsten der Finanzverwaltung ist nicht vor...

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