Rz. 222

Die Änderbarkeit zugunsten des Stpfl. ist auch bei grob schuldhaftem Verhalten des Stpfl. nicht eingeschränkt, wenn die dem Stpfl. günstigen Tatsachen oder Beweismittel in einem mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang stehen mit nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen oder Beweismitteln, die zu einer höheren Steuer führen. Da die Veranlagung in einem solchen Fall schon nach Nr. 1 geändert werden muss, hat der Gesichtspunkt der richtigen Besteuerung vor dem der Bestandskraft Vorrang; der Stpfl. kann also alle neuen Tatsachen oder Beweismittel, die sich auf die Besteuerungsgrundlagen beziehen, deretwegen die Änderung nach Nr. 1 durchgeführt werden soll, vorbringen. Allerdings hat die Rechtsprechung abweichend von dem geschilderten Gesetzeszweck eine Änderung kraft Sachzusammenhangs auch dann angenommen, wenn die steuererhöhenden Tatsachen einen anderen Steuerbescheid betreffen, u. U. sogar eine andere Steuerart. Dann ist der Bescheid, in dem die günstigen Tatsachen zu berücksichtigen sind, zu ändern, obwohl er nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern wäre.[1]

Die Änderung kraft Sachzusammenhangs gilt für Steuerbescheide und nach § 181 Abs. 1 S. 1 AO auch für Feststellungsbescheide. Die Besonderheiten des Feststellungsverfahrens erfordern keine abweichende Behandlung.[2]

Handelt es sich bei den sich ändernden Besteuerungsgrundlagen um solche, die nur einen einzelnen Gesellschafter betreffen (Sondervergütungen, Sonderbetriebsausgaben), besteht der sachliche Zusammenhang zwischen dem Feststellungsbescheid und dem entsprechenden Ansatz in dem Folgebescheid. Sind Sonderbetriebsausgaben fälschlich im Folgebescheid berücksichtigt und wird dies geändert, besteht zwischen dieser belastenden Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und der für den Stpfl. günstigen Änderung des Feststellungsbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO der erforderliche sachliche Zusammenhang.[3]

 

Rz. 223

Dem Wortlaut der Vorschrift nach ist eine Änderung kraft Sachzusammenhangs dann möglich, wenn die günstigen Tatsachen oder Beweismittel im Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln nach Nr. 1 stehen. Der erforderliche Sachzusammenhang besteht, wenn der steuererhöhende Vorgang nicht ohne den steuermindernden Vorgang denkbar ist.[4] Unterschiedliche Einkunftsströme bilden daher keinen solchen Zusammenhang, auch wenn sie zu dem einheitlichen Einkommen zusammengefasst werden. Bei Kapitalerträgen sind die Erträge aus jeder einzelnen Kapitalanlage gesondert zu betrachten, sodass Erträge aus verschiedenen Kapitalanlagen keinen Sachzusammenhang begründen.[5] Es ist daher ein Zusammenhang zu Tatsachen oder Beweismitteln ausreichend, die nach Nr. 1 zu einer Änderung führen können. Nicht erforderlich ist, dass auch tatsächlich eine Änderung der Steuerfestsetzung nach Nr. 1 erfolgt. Das hat eine doppelte Auswirkung. Einmal können günstige Tatsachen auch dann berücksichtigt werden, wenn die fragliche Steuerfestsetzung nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert wird, sondern nach einer anderen Vorschrift, z. B. nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO. Wird z. B. ein Feststellungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert und der darauf beruhende ESt-Bescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO, können bei dem ESt-Bescheid auch für den Stpfl. günstige Tatsachen und Beweismittel ohne Rücksicht auf grobes Verschulden berücksichtigt werden, die im Zusammenhang mit der Änderung stehen. Maßgebend ist nur, dass die ESt-Festsetzung geändert wurde, und dass die ungünstigen Tatsachen und Beweismittel, für sich gesehen, eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ermöglicht hätten. Umgekehrt ist eine Änderung des Feststellungsbescheids durch Ansatz mindernder Besteuerungsgrundlagen möglich, wenn der Folgebescheid wegen des Ansatzes steuererhöhender Besteuerungsgrundlagen geändert wird. Angenommen hat dies die Rechtsprechung, wenn der ESt-Bescheid wegen neuer Tatsachen geändert wird, indem dort geltend gemachte Sonderbetriebsausgaben nicht mehr berücksichtigt werden. Das hat zur Folge, dass der Feststellungsbescheid geändert und die Sonderbetriebsausgaben dort berücksichtigt werden können, auch wenn der ursprüngliche Nichtansatz der Sonderbetriebsausgaben in dem Feststellungsbescheid auf groben Verschulden des Stpfl. beruhte.[6] Nach welcher konkreten Vorschrift dann die Änderung erfolgt[7], ist dann ohne Bedeutung.[8] Die zweite Auswirkung liegt darin, dass eine Berücksichtigung der günstigen Tatsachen und Beweismittel auch möglich ist, wenn ein mittelbarer Zusammenhang zu einer Änderung eines anderen Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO besteht.[9]

 

Rz. 224

Bedeutsam für die Anwendung der Vorschrift ist, ob es sich tatsächlich um zwei (günstige und ungünstige) Tatsachen handelt oder nur um eine einzige. Übersteigen z. B. die Werbungskosten die Einnahmen, könnten die Einnahmen als ungünstige, die Werbungskosten als günstige Tatsachen angesehen werden. Die Einnahmen wären dann als für den Stpfl. ungünstige Tatsachen anzusetzen, sodass die Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten infolge d...

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