Rz. 45

Die Steuerfestsetzung kann aufgehoben oder geändert werden, wenn sie durch unlautere Mittel erwirkt worden ist. Als Beispiele solcher unlauterer Mittel nennt das Gesetz, nicht abschließend, arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung. Ebenfalls unter den Begriff der unlauteren Mittel fällt das kollusive Zusammenwirken des Stpfl. mit dem entscheidenden Beamten zur Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile. Durch die Vorschrift soll die ordnungsgemäße und dem Gesetz entsprechende Willensentscheidung des Beamten geschützt werden. "Unlauter" ist daher jedes Mittel, das auf den entscheidenden Beamten einwirkt, um ihn zu einer sachlich unrichtigen Entscheidung zu veranlassen.

 

Rz. 45a

Arglistige Täuschung liegt bei einer bewussten und vorsätzlichen Irreführung des entscheidungsbefugten Beamten vor. Dazu gehört jedes vorsätzliche Verschweigen oder Vortäuschen von Tatsachen. Eine besondere Absicht oder gesteigerte Verwerflichkeit des Tuns des Stpfl. ist nicht erforderlich. Es genügt das Bewusstsein, wahrheitswidrige Angaben zu machen. Auch die Absicht, die Finanzbehörde zu einer sachlich unzutreffenden Entscheidung zu veranlassen, ist nicht erforderlich. Es genügt, dass das vorsätzliche Handeln des Stpfl. objektiv zu einer unzutreffenden Entscheidung der Behörde geführt hat. Die arglistige Täuschung muss als kausal für die rechtswidrige Steuerfestsetzung gewesen sein, d. h. die Täuschung muss erfolgreich gewesen sein. Kennt die Finanzbehörde den wahren Sachverhalt aus anderen Quellen, ist sie nicht getäuscht worden, die unrichtige Steuerfestsetzung ist nicht kausal durch die Täuschung verursacht worden. Auf ein Mitverschulden des FA kommt es jedoch nicht an, also darauf, ob es die Täuschung hätte durchschauen können oder bei eigener sorgfältiger Sachaufklärung den tatsächlichen Sachverhalt hätte ermitteln können.[1] Die bewusste Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung ist arglistige Täuschung der Finanzbehörde, da eine Rechtspflicht zur wahrheitsgemäßen Offenbarung der Verhältnisse besteht und dies auch ausdrücklich in der Steuererklärung versichert wird.[2]

Im Ergebnis wird bei einer arglistigen Täuschung regelmäßig auch der Tatbestand der "neuen Tatsachen" nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorliegen. Problematisch ist jedoch das Verhältnis der beiden Änderungsvorschriften zueinander, da bei dem Tatbestand der arglistigen Täuschung Ermittlungsfehler des FA nicht berücksichtigt werden, bei § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aber wohl. Da ein Vorrang einer der beiden Vorschriften vor der anderen kaum zu begründen ist, dürfte eine Änderung der Steuerfestsetzung ohne Rücksicht auf etwaige Ermittlungsfehler des FA möglich sein, wenn der Stpfl. vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat. Dann greift § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. c AO ein, auch wenn eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen eines Ermittlungsfehlers des FA nicht möglich ist. Andererseits greift keine der beiden Änderungsmöglichkeiten ein, wenn dem FA der wahre Sachverhalt aus anderen Quellen als den Angaben des Stpfl. bekannt ist. Dann ist die Finanzbehörde nicht arglistig getäuscht worden und es liegen keine neuen Tatsachen vor. In den praktisch vorkommenden Fällen dürfte bei einer arglistigen Täuschung aber die Pflichtverletzung des Stpfl. die Verletzung der Ermittlungspflicht des FA überwiegen, sodass auch eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO möglich wäre.[3] Möglich ist die geschilderte Konstellation aber, wenn ein Dritter die arglistige Täuschung vorgenommen hat. Dann liegt keine Pflichtverletzung des Stpfl. vor, sodass die Ermittlungsfehler des FA die Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ausschließen, trotzdem aber eine Änderung des Steuerbescheids nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. c AO möglich ist.

 

Rz. 45b

Keine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Stpfl. dem FA den Sachverhalt vollständig und sachlich richtig darlegt, aber eine sachlich unrichtige Rechtsanwendung vertritt in der Hoffnung, damit die Behörde zu veranlassen, seiner Rechtsansicht zu folgen. Ebenso liegt keine arglistige Täuschung vor, wenn sich der Stpfl. auf eine Bescheinigung beruft, deren Inhalt nach Ansicht der Finanzbehörde die Rechtslage (nicht: den Sachverhalt) unrichtig wiedergibt.[4]

 

Rz. 45c

Drohung ist die Ausübung psychischen Zwangs, d. h. die absichtliche Erregung von Furcht vor einem Übel, dessen Eintritt oder Bestehenbleiben als von dem Willen des Drohenden abhängig dargestellt wird. Der bloße Hinweis auf eine objektive, vom Willen des Täters unabhängige Zwangslage ist keine Drohung. Der Begriff der Drohung entspricht § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO.[5] Die Ankündigung, rechtliche Schritte, wie Einspruch, Klage oder Dienstaufsichtsbeschwerde, einleiten zu wollen, ist keine Anwendung unlauterer Mittel, da damit der Stpfl. nur seine ihm gesetzlich zustehenden Rechte wahrnimmt.

 

Rz. 45d

Bestechung ist nach § 334 StGB das Erwirken einer pflichtwidrigen Amtshandlung dadurch, dass dem Amtsträger Vorteile gewährt oder versprochen werden. Das Gesetz verweist insoweit in vollem Umfang auf § 33...

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