Rz. 52

Die Festsetzung von Vorauszahlungen erfolgt durch Steuerbescheid nach § 155 Abs. 1 AO. Da Vorauszahlungen schon ihrer Natur nach vorläufigen Charakter haben, stellt ihre Festsetzung nach § 164 Abs. 1 S. 2 AO kraft Gesetzes eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung dar, ohne dass der Nachprüfungsvorbehalt in dem Vorauszahlungsbescheid ausdrücklich enthalten sein müsste.[1] Auch die Änderung eines Vorauszahlungsbescheids ergeht kraft Gesetzes nach § 164 Abs. 1 S. 2 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Von der Norm erfasst sind auch die Festsetzung und Zerlegung von GewSt-Messbeträgen zu Vorauszahlungszwecken nach § 19 Abs. 3 S. 3 GewStG. Auf diese Bescheide über die Festsetzung der Steuermessbeträge und ihre Zerlegung sind nach § 184 Abs. 1 S. 3, § 185 AO die Vorschriften über die Steuerfestsetzung anwendbar. Damit gilt auch § 164 Abs. 1 S. 2 AO, wonach eine Festsetzung von Vorauszahlungen kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, ohne dass dies im Bescheid ausdrücklich ausgesprochen werden muss.[2] Nimmt die Finanzbehörde den Nachprüfungsvorbehalt in den Vorauszahlungsbescheid dennoch ausdrücklich auf, ist dies ein unschädlicher, bloßer Hinweis auf die bestehende Gesetzeslage.[3]

 

Rz. 53

Da der Vorbehalt sich aus dem Wesen der Vorauszahlungen ergibt und kraft Gesetzes besteht, kann er von der Finanzbehörde nicht aufgehoben werden. Eine etwaige Aufhebung geht ins Leere.[4] Hiervon zu unterscheiden ist aber der Fall, dass die Steueranmeldung nach § 168 Satz 1 AO keine Vorauszahlung, sondern z. B. eine USt-Jahreserklärung nach § 18 Abs. 3 UStG oder eine LSt-Anmeldung nach § 41a EStG betrifft. In diesem Fall ist eine Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung möglich.[5]

Der Vorbehalt entfällt aber auch bei einem Vorauszahlungsbescheid kraft Gesetzes nach § 164 Abs. 4 AO, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.

 

Rz. 54

Die Änderung des Vorauszahlungsbescheids kann wegen des Vorbehalts jederzeit erfolgen. Damit ist grundsätzlich eine Erhöhung oder Herabsetzung der Vorauszahlungsschuld jederzeit möglich. Diese Befugnis ist für den Spezialfall der Festsetzung von ESt-Vorauszahlungen durch § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG allerdings auf den 15-Monats-Zeitraum[6] begrenzt. Insofern wirkt § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG einschränkend.[7] Entsprechendes dürfte für die Anpassung des Steuermessbetrags und des Zerlegungsbescheids[8] für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen nach § 19 Abs. 3 S. 3 GewStG gelten.

 

Rz. 55

Da der Vorauszahlungsbescheid ein selbstständiger Bescheid ist, auch wenn er mit einer endgültigen Steuerfestsetzung in einer Urkunde verbunden ist, ist er selbstständig mit dem Einspruch anfechtbar. Diese Anfechtung steht selbstständig und unabhängig neben dem jederzeit möglichen Antrag auf Änderung des Vorauszahlungsbescheids nach § 164 Abs. 2 AO (Rz. 72); vorläufiger Rechtsschutz wird durch Aussetzung der Vollziehung, § 361 AO, gewährt.

 

Rz. 56

Die Ablehnung des Antrags auf Herabsetzung der Vorauszahlungen ist nach § 155 Abs. 1 S. 2 AO ebenfalls ein Steuerbescheid, der mit dem Einspruch anfechtbar ist. Dieser Steuerbescheid hat jedoch keinen vollziehbaren Inhalt, sodass Aussetzung der Vollziehung nicht möglich ist. Vorläufiger Rechtsschutz wird durch einstweilige Anordnung, § 114 FGO, gewährt.[9] Der Antrag auf einstweilige Anordnung kann nicht auf Herabsetzung der Vorauszahlungen gerichtet sein, weil damit bereits die Entscheidung im Hauptverfahren vorweggenommen würde. Sie kann nur auf Stundung der bisher festgesetzten Vorauszahlungen bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Hauptverfahren gerichtet sein.[10]

 

Rz. 57

Der Vorauszahlungsbescheid wird mit Ergehen des Jahressteuerbescheids wirkungslos, indem er sich nach § 124 Abs. 2 AO "auf andere Weise" erledigt.[11] Er kann keine Wirkungen mehr für die Zukunft entfalten; ein Rechtsbehelf mit dem Ziel, Herabsetzung der Vorauszahlungen zu erreichen, ist ab diesem Zeitpunkt gegenstandslos.[12]

Eine Änderung des USt-Vorauszahlungsbescheids geht nach dem wirksamen Ergehen des USt-Jahresbescheids ebenfalls ins Leere.[13] Auch der Bescheid über die Ablehnung der Anpassung von Vorauszahlungen, z. B. nach § 37 Abs. 3 S. 3 EStG, erledigt sich mit dem Erlass des Jahressteuerbescheids.[14]

Während materiell-rechtlich die Vorauszahlungsschuld als selbstständige Form der Jahressteuerschuld erhalten bleibt ("Anrechnung" vgl. Rz. 45f.), geht sie verfahrensrechtlich in dem Jahressteuerbescheid auf. Mit dem Erlass des Jahressteuerbescheids ist das Vorauszahlungsverfahren beendet, sodass ab diesem Zeitpunkt keine Maßnahmen im Vorauszahlungsverfahren mehr ergriffen werden können. Das Verfahren über den Jahressteuerbescheid beendet daher endgültig das Vorauszahlungsverfahren und verdrängt es. M. E. gilt das auch, wenn der Jahressteuerbescheid ersatzlos aufgehoben wird. Wenn einmal das Verfahren über den Jahressteuerbescheid durchgeführt worden ist, kann, unabhängig von dem Ausgang dieses Verfahrens, nicht mehr auf das Vorauszahlungsverfahren zurückgegriffen werden...

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