Rz. 199

Die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme erfolgt durch Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO. Dies gilt sowohl für die positive Entscheidung wie über die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme. Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine positive Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO eine gesonderte Feststellung, allerdings keine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen i. S. d. §§ 179ff. AO. Das ergibt sich daraus, dass § 179 AO auf § 157 Abs. 2 AO verweist und sich damit auf die Steuerfestsetzung bezieht. Eine Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO ist aber keine Steuerfestsetzung. Sie ist jedoch Grundlagenbescheid i. S. d. § 171, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO.[1] An diesen Grundlagenbescheid ist der Ertragsteuerbescheid, in dem die abweichenden Besteuerungsgrundlagen zu berücksichtigen sind, als Folgebescheid nach § 182 AO gebunden. Ergeht der Grundlagenbescheid nach § 163 AO zeitlich nach dem Folgebescheid bzw. wird der Grundlagenbescheid geändert, hat eine entsprechende Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO zu erfolgen. Zu ändern sind alle Ertragsteuerbescheide, für die die Billigkeitsentscheidung Grundlagenbescheid ist und die daher an dessen Inhalt als Folgebescheid gebunden sind. In einem Rechtsstreit über den Ertragsteuerbescheid kann daher eine Aussetzung des Rechtsstreits vor dem FG nach § 74 FGO erforderlich werden, um dem FA Gelegenheit zu geben, über den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung, und damit den Erlass des Grundlagenbescheids, zu entscheiden. Folgebescheid ist der Ertragsteuerbescheid, in dem die Steuer aufgrund der Billigkeitsentscheidung abweichend ausgewiesen wird. Wirkt sich die Billigkeitsentscheidung in mehr als einem Veranlagungszeitraum aus, können auch mehrere Ertragsteuerbescheide Folgebescheide sein. Das ist etwa der Fall, wenn der Übergangsgewinn bei Übergang von einer Gewinnermittlungsmethode zu einer anderen auf bis zu 3 Jahre verteilt wird. Die Billigkeitsentscheidung über die Verteilung des Gewinns auf bis zu drei Jahre ist Grundlagenbescheid für den Ertragsteuerbescheid jeden Veranlagungszeitraums, in dem ein Teil des Übergangsgewinns zu erfassen ist.[2]

Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Billigkeitsentscheidung mit der Steuerfestsetzung verbunden wird. Auch in diesem Fall liegen zwei Verwaltungsakte vor, nämlich die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme als Grundlagenbescheid und die Steuerfestsetzung als Folgebescheid, auch wenn beide Entscheidungen in einer Urkunde getroffen werden.

 

Rz. 200

Aus der Eigenschaft der abweichenden Steuerfestsetzung als Grundlagenbescheid folgt, dass das Billigkeitsverfahren ein eigenständiges Verfahren ist, das von der Steuerfestsetzung getrennt zu beurteilen ist. Das gilt auch dann, wenn die Billigkeitsentscheidung nach § 163 Abs. 2 AO mit der Steuerfestsetzung verbunden wird. Auch dann handelt es sich bei der Billigkeitsentscheidung und der Steuerfestsetzung um zwei getrennte Verfahren, die getrennt zu beurteilen sind. Der Stpfl. muss ggf. die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme anfechten; nur die Anfechtung des Steuerbescheids genügt nicht.[3]

 

Rz. 201

Die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme ist als Feststellungsbescheid ein Verwaltungsakt, ist jedoch kein Steuerbescheid und wird auch nicht wie ein Steuerbescheid behandelt.[4] Sie ist auch keine gesonderte Feststellung i. S. d. § 179 AO, da solche Feststellungen nach dem Wortlaut des § 179 Abs. 1 AO nur solche sind, die unselbstständige Besteuerungsgrundlagen einer Steuerfestsetzung i. S. d. § 157 Abs. 2 AO erfassen. Die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO ist aber keine unselbstständige Besteuerungsgrundlagen nach § 157 Abs. 2 AO.[5] Folge ist, dass §§ 179181 AO auf die gesonderte Feststellung nicht anwendbar sind. Andererseits ergibt sich die Bindungswirkung der Feststellung nach § 163 AO aus § 182 AO, da diese Vorschrift allgemein für Feststellungsbescheide gilt, nicht nur für solche nach § 179 AO. Für die Anpassung des Folgebescheids an die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme gilt § 171 Abs. 10 S. 2 AO, da für die Feststellung nach § 163 AO der § 181 AO nicht gilt. Zur Folge Rz. 208d.

 

Rz. 201a

Die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme ist daher selbstständig zu beurteilen, auch wenn sie mit der Steuerfestsetzung nach § 163 Abs. 2 AO verbunden wird. Die §§ 155ff. AO sind nicht anwendbar. Es ist deshalb auch nicht zulässig, eine Billigkeitsmaßnahme nach § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder nach § 165 AO vorläufig zu treffen. Die Billigkeitsmaßnahme steht daher auch dann nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, wenn sie mit einer Steuerfestsetzung verbunden war und die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Für diese Fälle trifft jetzt § 163 Abs. 3 AO eine besondere Regelung (Rz. 206ff.). Entsprechendes gilt für die Vorläufigkeit nach § 165 AO. Die Aufhebung (Rücknahme bzw. Widerruf) einer Billigkeitsmaßnahme erfolgt nach §§ 130, 131 AO, nicht nach §§ 172ff. A...

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