Rz. 65

Nach § 90 Abs. 3 AO hat der Stpfl. bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbeziehungen zu nahe stehenden Personen betreffen, bzw. bei Beziehungen zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte, diese Beziehungen zu dokumentieren. Art und Inhalt dieser Dokumentation werden durch die VO v. 13.11.2003, BStBl I 2003, 739 näher bestimmt.

Verletzt der Stpfl. diese Verpflichtung, kann die Finanzverwaltung ihre Erfüllung grundsätzlich nach §§ 328ff. AO erzwingen. Allerdings dürfte ein Erzwingungsverfahren durch Festsetzung von Zwangsgeldern und ähnlichen Zwangsmitteln praktisch kaum durchführbar, insbesondere kein geeignetes Mittel zur Erzwingung der Pflicht zur zeitgerechten Dokumentation sein. Das Gesetz geht daher, trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit der §§ 328ff. AO, einen anderen Weg. Nach allgemeinen Grundsätzen berechtigt die Verletzung einer Mitwirkungspflicht durch den Stpfl. die Finanzbehörde zur Schätzung. Die Amtsermittlungspflicht, § 88 AO, ist insoweit eingeschränkt, da es in erster Linie Sache des Stpfl. ist, durch seine Steuererklärung oder, wie im Fall des § 90 Abs. 3 AO, durch die Dokumentation der Finanzbehörde den steuerlich relevanten Sachverhalt mitzuteilen.[1]

 

Rz. 66

§ 162 Abs. 3 AO knüpft an diese Grundsätze an, indem vorausgesetzt wird, dass bei Verletzung der Dokumentationspflicht die Finanzbehörde das Recht zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen hat. Für diese Schätzung stellt die Vorschrift Schätzungsgrundsätze auf, die von den allgemein gültigen Grundsätzen abweichen. Diese Abweichungen bestehen in einer widerlegbaren Vermutung, dass die tatsächlichen Einkünfte höher sind als die erklärten, und darin, dass ein Schätzungsrahmen zulasten des Stpfl. ausgeschöpft werden darf.[2]

 

Rz. 67

Auffällig ist, dass die Vorschrift die Schätzungsbefugnis voraussetzt, sie aber nicht ausdrücklich regelt. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des Abs. 3 S. 2, der nur für den Fall gilt, dass eine Schätzung vorzunehmen ist, also in Betracht zieht, dass keine Schätzung zu erfolgen hat. Im Unterschied hierzu bestimmt § 162 Abs. 2 AO ausdrücklich, dass eine Verletzung der Pflicht nach § 90 Abs. 2 AO die Finanzbehörde zur Schätzung berechtigt. Eine entsprechende Vorschrift für § 90 Abs. 3 AO fehlt. Die Aufzählung der Schätzungsfälle in Abs. 2 ist aber, wie das Wort "insbesondere" zeigt, nicht abschließend. Daher kann, beruhend auf den allgemeinen Grundsätzen, auch bei Verletzung der Pflicht nach § 90 Abs. 3 AO eine Schätzung erfolgen.

 

Rz. 68

Möglich ist auch die Auslegung, dass die Dokumentation unter Abs. 2 S. 2 fällt, da auch die Dokumentation zu den "Aufzeichnungen" gehört, die der Stpfl. nach den Steuergesetzen zu führen hat. Von den Fällen des Abs. 3 würde dann aber nur der Fall erfasst, dass überhaupt keine Dokumentation vorgelegt wird, nicht der Fall, dass die Dokumentation unzureichend ist. Abs. 2 S. 2 statuiert die Schätzungsmöglichkeit nur bei Nichtvorlage der Aufzeichnungen, nicht bei Vorlage mangelhafter Aufzeichnungen oder bei Vorlage einer nicht zeitnah erstellten Dokumentation. Zumindest insoweit muss daher auf die allgemeinen Grundsätze zurückgegriffen werden.

 

Rz. 69

Der Tatbestand des Abs. 3 definiert, ausgehend von der allgemeinen Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde bei Verletzung von steuerlichen Pflichten durch den Stpfl., die Tatbestände, an die die besonderen Rechtsfolgen des Abs. 3 anknüpfen:

  • Nichtvorlage der Dokumentation[3];
  • Vorlage einer im Wesentlichen unverwertbaren Dokumentation[4];
  • nicht zeitnahe Erstellung der Dokumentation bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen.[5]

An diese drei Tatbestände werden als Rechtsfolgen geknüpft:

  • eine widerlegbare Vermutung, dass die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte des Stpfl. höher sind als die erklärten Einkünfte[6];
  • Schätzung unter Ausnutzung der Bandbreite zulasten des Stpfl.[7]

Dagegen fällt die verspätete Vorlage der Dokumentation nicht unter Abs. 3; hieran ist also nicht die Vermutung der höheren Einkünfte geknüpft. Auch ermöglicht die verspätete Vorlage nicht die Schätzung. Die Rechtsfolgen einer verspäteten Vorlage bestimmen sich ausschließlich nach Abs. 4 S. 3.[8]

 

Rz. 69a

Ursprünglich regelte die Vorschrift nicht ausdrücklich, worauf sich die Dokumentation bezog, deren Fehlen oder Mangelhaftigkeit die Schätzungsbefugnis zur Folge hatte. Abs. 3 bezieht sich nach seinem Wortlaut ausdrücklich auf die Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO. Nach dieser Vorschrift hat der Stpfl. Art und Inhalt seiner "Geschäftsbeziehungen" zu dokumentieren. Die Aufzeichnungspflicht bezieht sich daher auf die jeweilige Geschäftsbeziehung, in deren Rahmen die Geschäftsvorfälle zu dokumentieren sind. Daher bezog sich die Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 3 AO auf das Fehlen oder die Unvollständigkeit der Dokumentation über die Geschäftsbeziehung, nicht auf das Fehlen oder die Unvollständigkeit der Dokumentation der einzelnen Geschäftsbeziehung. Daher fehlte die Dokumentation nicht, wenn zwar die Geschäftsbeziehung insgesamt dokumen...

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