Rz. 8

Entsprechen die Buchführung und sonstige Aufzeichnungen den formellen Vorschriften der §§ 140ff. AO, besteht nach § 158 AO die Vermutung, dass die Buchführung und Aufzeichnungen auch sachlich richtig sind. Die Verweisung auf §§ 140ff. AO erfasst über § 140 AO auch Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach anderen Gesetzen als der AO, und zwar sowohl nach steuerrechtlichen als auch nach handelsrechtlichen Vorschriften. Die Vermutung nach § 158 AO setzt also auch die Einhaltung der formellen handelsrechtlichen Vorschriften voraus. Formell ordnungsgemäß ist eine Buchführung, wenn sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermittelt. Die Buchungen und die sonstigen Aufzeichnungen müssen vollständig, zeitgerecht und geordnet sein. Jede Buchung muss im Zusammenhang mit einem Beleg stehen. Die Belege müssen vollständig vorliegen und sachgerecht geordnet sein. Belege und Geschäftsbriefe sind aufzubewahren. Fehlt es an diesen Merkmalen, ist eine Buchführung nicht ordnungsgemäß.[1] Für das Vorliegen einer formell nicht ordnungsmäßigen Buchführung trägt die Finanzbehörde die objektive Beweislast.[2]

 

Rz. 9

Liegt formelle Ordnungsmäßigkeit vor, trifft die objektive Beweislast für die sachliche Unrichtigkeit die Finanzverwaltung. Der Stpfl. braucht also nicht zu beweisen, dass seine Aufzeichnungen sachlich richtig sind. Er braucht auch keinen weiteren Nachweis über das Vorliegen von Betriebsausgaben, für die er nach allgemeinen Beweislastregeln die objektive Beweislast trägt, zu erbringen. Ist nicht sicher feststellbar, ob das Ergebnis der formell ordnungsmäßigen Buchführung sachlich richtig ist, ist es der Besteuerung zugrunde zu legen. Die Unaufklärbarkeit geht infolge des § 158 AO zulasten der Finanzbehörde.

 

Rz. 10

Durch die Formulierung "sind … zugrunde zu legen" ist diese Rechtsfolge zwingend; der Finanzverwaltung steht weder ein Ermessens- noch ein Beurteilungsspielraum zu.

 

Rz. 11

Adressat der Vorschrift ist der Stpfl., nicht der zur Buchführung Verpflichtete.[3] Das bedeutet, dass die Vermutung bzw. das Nichtbestehen der Vermutung bei formell nicht ordnungsmäßiger Buchführung auch dann gilt, wenn der Stpfl. die Bücher und Aufzeichnungen nicht selbst zu führen hat. Das ist insbesondere bei Personengesellschaften bedeutsam; dann wird auf die von der Personengesellschaft zu führenden Bücher und Aufzeichnungen abgestellt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Stpfl. darauf Einfluss hatte oder nicht, etwa weil er nur Kommanditist ist.

Bei Buchführung und Aufzeichnungen durch Dritte sind aber immer nur solche Bücher und Aufzeichnungen gemeint, die im Interesse des Stpfl. geführt werden und die materiell seine Verhältnisse abbilden. Nicht gemeint sind Aufzeichnungspflichten, die originär Dritten auferlegt werden, auch wenn sie bei der Besteuerung des Stpfl. herangezogen werden können.

 

Rz. 12

Die Vermutung der sachlichen Richtigkeit ist widerlegt, wenn Anlass zu sachlichen Beanstandungen gegen das Ergebnis der Buchführung oder Aufzeichnungen besteht.[4] Hierzu genügt die Erhebung von Beanstandungen nicht. Die Finanzbehörde muss dartun und erforderlichenfalls beweisen, dass das Ergebnis der Buchführung nicht richtig sein kann, da auch eine formell nicht ordnungsmäßige Buchführung ein richtiges Ergebnis ausweisen kann. Auch bloße Vermutungen sind nicht ausreichend.[5]

 

Rz. 13

Es genügt der Nachweis der Unrichtigkeit des Buchführungsergebnisses, um die Vermutung zu zerstören. Es ist zur Zerstörung der Richtigkeitsvermutung nicht erforderlich, dass die Finanzverwaltung das richtige Ergebnis dartut und nachweist. Ist die Vermutung zerstört, weil die Finanzverwaltung nachgewiesen hat, dass das Ergebnis der Buchführung nicht richtig sein kann, ist das richtige Ergebnisdurch zumutbare Ermittlungen nach dem Amtsermittlungsprinzip, und damit grundsätzlich ohne ausdrückliche Beweisregeln, festzustellen. Kann das richtige Ergebnis durch zumutbare Ermittlungen der Finanzbehörde nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, treten die allgemeinen Regeln über die Pflicht zur Amtsermittlung und über die Beweislast im Steuerrecht in Kraft.[6] Danach trägt der Stpfl. die objektive Beweislast für die für ihn günstigen Umstände, also den Abzug von Betriebsausgaben. Die Finanzverwaltung trägt die objektive Beweislast für das Vorliegen von Einnahmen. In diesem Rahmen ist das Ergebnis letztlich durch Schätzung, § 162 AO, zu ermitteln.

 

Rz. 14

Zur Widerlegung der Vermutung des § 158 AO, und damit zur Verwerfung des Ergebnisses einer formell ordnungsmäßigen Buchführung, genügt nicht jede Beanstandung der sachlichen Richtigkeit. Es muss sich vielmehr um relevante und gewichtige Beanstandungen handeln. Diese Beanstandungen der sachlichen Richtigkeit durch die Finanzbehörde müssen so konkret und glaubwürdig (fundiert) sein, dass sie unter Berücksichtigung aller wesentlichen Gegebenheiten das sachliche Ergebnis der Buchführung als mit an...

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