Rz. 29

Keine Bestimmung enthält das Gesetz darüber, zu welchem Zeitpunkt die Steuerfestsetzung vorzunehmen ist. Die Finanzverwaltung bestimmt nach ihrem Ermessen, wann sie eine Steuerfestsetzung vornimmt bzw. in welcher Reihenfolge sie die Steuerfälle bearbeitet. Eine Grenze bilden nur die Festsetzungsverjährung und die Verwirkung. Die Ermessensentscheidung über den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung muss auf sachlichen Gründen beruhen; bei ermessensfehlerhafter Verzögerung ist ein Rechtsbehelf gegeben.[1] Die Rspr. hat sich bisher, soweit ersichtlich, noch nicht mit der Frage zu beschäftigen gehabt, welche Ermessenserwägungen die Finanzbehörde bei der Frage des Zeitpunkts der Steuerfestsetzung vorzunehmen hat. Der Finanzbehörde wird hier ein weiter Ermessensspielraum zustehen, da sie die Möglichkeit haben muss, ihr internes Verfahren, und damit den Ablauf der Veranlagungsarbeiten, nach den Erfordernissen einer effektiven und zweckmäßigen Arbeitsablauforganisation zu gestalten. So dürfte jede systematische, nicht willkürliche Regelung der Veranlagungsarbeiten zulässig sein, insbesondere eine Erledigung nach den Vz (der frühere Vz ist zuerst zu bearbeiten), innerhalb des Vz nach Eingang. Von dieser regelmäßigen Reihenfolge kann bei Vorliegen besonderer Umstände abgesehen werden. Besondere Umstände, die eine Bearbeitung außerhalb dieser Reihenfolge zulässig und erforderlich erscheinen lassen, sind etwa besonders hohe Steuererstattungen oder -nachforderungen. Bei hohen Steuernachforderungen kann ein Stpfl. sich gegen das Vorziehen seiner Steuerfestsetzung nicht mit dem Argument wehren, es seien noch früher eingegangene Steuererklärungen oder Steuererklärungen früherer Vz nicht bearbeitet. Eine sehr schnelle Steuerfestsetzung wird auch geboten sein, wenn die Steuererklärung angefordert (evtl. unter Androhung von Zwangsgeld oder Verspätungszuschlag) oder ein Fristverlängerungsantrag abgelehnt wurde.

 

Rz. 29a

Regelmäßig wird die Steuer frühestens mit ihrem Entstehen festgesetzt, doch ist auch eine Festsetzung der Steuer vor ihrem Entstehen nicht unzulässig, wenn die Steuer spätestens im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) entstanden ist.[2]

Das Gesetz enthält auch keine Regelung darüber, in welcher Reihenfolge die verschiedenen Verfahrensstufen zu durchlaufen sind. So kann die Steuerfestsetzung vor der Ermittlung des Sachverhalts erfolgen.[3] Sie kann auch während eines noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens ergehen, z. B. während einer Außenprüfung zur Festsetzung besonders hoher Zwischenergebnisse, mit der Folge, dass dann nach Abschluss der Außenprüfung u. U. eine Änderung der Steuerfestsetzung zu erfolgen hat.[4]

[1] "Untätigkeitseinspruch", § 347 Abs. 1 S. 2 AO.
[3] Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung, § 164 AO.
[4] Hierzu Vor §§ 193–203 AO Rz. 17.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge