Rz. 30

Nach dem Wortlaut des § 152 Abs. 1 S. 2 AO ist von der Festsetzung eines VZ abzusehen, wenn die Verletzung der Erklärungspflicht entschuldbar erscheint. Trotz der Formulierung "erscheint" ist der Finanzbehörde für die Beurteilung der Frage, ob schuldhaftes Verhalten vorliegt, kein Ermessensspielraum eingeräumt, sondern das Vorliegen des Verschuldens ist eine Rechtsfrage.[1] Mithin konnte eine Festsetzung eines VZ grundsätzlich nur dann in Betracht kommen, wenn ein Verschulden gegeben war.[2] Dies gilt allerdings nach der Neufassung des § 152 Abs. 2 AO nicht mehr. Bei einem Überschreiten der Fristen kann sich der Stpfl. nicht mehr exkulpieren.[3] Damit ist die Frage des Verschuldens nur noch in Ausnahmefällen von Bedeutung.[4]

 

Rz. 31

Die Entschuldigungsgründe, also die Umstände, die die Annahme des Verschuldens ausschließen, liegen im persönlichen Bereich des Erklärungspflichtigen, sodass ihn insoweit eine besondere Darlegungslast trifft.[5] Der Erklärungspflichtige muss zur Vermeidung eines VZ der Finanzbehörde die nicht aus den Akten ersichtlichen Gründe darlegen, aus denen sich ergibt, dass sein Versäumnis entschuldbar erscheint. Unterlässt der Erklärungspflichtige die Darlegung, kann die Finanzbehörde den VZ festsetzen, ohne zuvor Feststellungen zum Verschulden getroffen zu haben. Das ergibt sich auch (s. Rz. 32) aus der Gesetzesformulierung "von der Festsetzung … ist abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint".[6]

 

Rz. 32

Die Formulierung "erscheint" hat zur Folge, dass die Finanzbehörde hinsichtlich der Entschuldigungsgründe keine abschließende Ermittlungspflicht trifft, sondern Zweifelsfälle im Bereich der Ermessensausübung großzügig zugunsten des Erklärungspflichtigen entscheiden und von der VZ-Festsetzung absehen sollte.[7] Schlüssiges Vorbringen muss die Finanzbehörde beachten und im Rahmen der Amtsermittlungspflicht Sachverhaltsfeststellungen treffen, da sonst die Ermessensausübung fehlerhaft ist.[8]

[2] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 152 AO Rz. 16.
[3] Klein/Rätke, AO, 17. Aufl. 2023, § 152 Rz. 18.
[4] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 152 AO Rz. 16ff.
[5] Volquardsen, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, Erl. zu § 88 AO; vgl. BFH v. 18.8.1988, V R 19/83, BStBl II 1988, 929; FG Baden-Württemberg v. 13.11.1998, 9 K 217/98, n. v.

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