Rz. 35

Abweichend von der Grundregelung (s. Rz. 33) dürfen unter gewissen Voraussetzungen nach dem durch Art. 10 Nr. 6 JStG 2009 v. 19.12.2008[1] eingefügten § 146 Abs. 2a S. 1 AO a. F. elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen im Ausland geführt und aufbewahrt werden.[2] Nach der Fassung des § 146 Abs. 2a AO aufgrund des JStG 2009 war dies nur in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. einem durch § 146 Abs. 2a S. 2 AO gleichgestellten Staat des Europäischen Wirtschaftsraums möglich. Hierdurch sollte nach der Begründung des Regierungsentwurfs[3] zum einen für deutsche Tochterunternehmen ausländischer Konzerne dem Bedürfnis Rechnung getragen werden, die Buchführungs- und Aufzeichnungsarbeiten in die Konzernzentralen oder zentralisierte Buchführungsstellen zu verlagern, zum anderen soll die Möglichkeit eröffnet werden, die Kosten der Buchführungs- und Aufzeichnungsarbeiten zu reduzieren und diese Arbeiten deshalb im Ausland durchführen zu lassen.[4]

 

Rz. 35a

Die Regelung hat nach ihrer Schaffung sofort Kritik erfahren.[5] Kritisiert wurde insbesondere, dass die Voraussetzungen, unter denen die Verlagerung der elektronischen Buchführung erfolgen darf, zu eng seien. Auch wurde die Beschränkung auf EU- bzw. EWR-Staaten gerügt. Der Gesetzgeber hat auf die Bedenken reagiert und § 146 Abs. 2 AO durch das JStG 2010[6] neu formuliert. Einerseits wurde das Erfordernis der vorherigen Zustimmung des Staates, in den die Verlagerung erfolgen soll, fallengelassen; andererseits wurde die Beschränkung auf den EU- bzw. EWR-Raum aufgehoben.

 

Rz. 35b

Auf die europarechtlichen Bedenken hat der Gesetzgeber reagiert.[7] Durch das Jahressteuergesetz 2020 v. 21.12.2020[8] wurden die Bestimmungen zur Verlagerung der elektronischen Buchführung neu gefasst. Es nunmehr danach zu unterscheiden, ob die Verlagerung in das EU-Ausland[9] oder in einen Drittstaat[10] erfolgt. Die Verlagerung in ein anderes EU-Mitgliedsland ist nunmehr ohne Antrag zulässig, zudem müssen nur noch wenige Voraussetzungen erfüllt sein.[11]

 

Rz. 35c

Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts vom 20.12.2022[12] wurde die Möglichkeit der Verlagerung in das EU-Ausland dahingehend erweitert, dass nunmehr auch die Verlagerung in mehrere Mitgliedstaaten der EU oder auch Drittstaaten zulässig ist. Ob es sich hierbei tatsächlich um eine starke Ausweitung der Möglichkeiten zur Verlagerung der elektronischen Buchführung handelt, ist fraglich.

 

Rz. 36

Die Sonderregelungen der § 146 Abs. 2a und 2b AO sind abschließend. Die Verlagerung ist im Interesse der Sicherstellung einer effizienten Kontrolle durch die Steuerverwaltung und damit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur unter den in § 146 Abs. 2a und 2b AO genannten Voraussetzungen zulässig. Es darf auch nur die Verlagerung der mittels eines Datenverarbeitungssystems (elektronische Buchführung) erstellten Buchführung und sonstigen Aufzeichnungen bewilligt werden. Die "Papierbuchführung", insbesondere die in Papierform vorliegenden Rechnungen i. S. d. UStG, müssen weiterhin im Inland verbleiben.[13]

[1] BGBl I 2008, 2794.
[2] Auch Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2011, § 146 Rz. 27ff.; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rz. 50ff.
[3] BT-Drs. 16/10189, 80.
[4] S. a. Bayer. Landesamt f. Steuern, Vfg. v. 20.1.2017, S 0316.1.1. – 3/2 St 42, n. v.
[5] Weinbrenner, DStR 2009, 2082; tom Suden, StBg 2009, 207.
[6] BGBl I 2010, 1768.
[7] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 146 AO Rz. 32a.
[8] JStG 2020, BGBl I 2020, 3096.
[11] Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 146 AO Rz. 27a.
[12] DAC-7-Umsetzungsgesetz; Gesetz v. 20.12.2022, BGBl I 2022, 2730.
[13] Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rz. 57; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 146 AO Rz. 41.

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