2.1.1 Abs. 1 S. 1

 

Rz. 4

§ 117a Abs. 1 S. 1 AO erlaubt es den mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Finanzbehörden, auf Ersuchen einer für die Verhütung und Verfolgung von Straftaten zuständigen Stelle eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Schengen-assoziierten Staates personenbezogene Daten, die im Zusammenhang mit dem in § 208 AO bestimmten Aufgabenbereich stehen, zum Zweck der Verhütung von Straftaten zu übermitteln. Zu den mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen gehörten bislang nur die Steuerfahndungsstellen der Landesfinanzbehörden gem. § 208 AO. Zwar nimmt auch das BZSt präventive Aufgaben i. S. d. § 208a AO wahr und erfüllt in dieser Funktion die Voraussetzungen gem. Art. 2 a RbDatA. Allerdings wurde diese Behörde bislang nicht gem. Art. 2a S. 3 der RbDatA dem Generalsekretär des Rates als zuständige Behörde benannt. Daher ist das BZSt trotz der geänderten Befugnisse in § 208a AO nicht von § 117a Abs. 1 AO erfasst. Voraussetzung für eine Datenübermittlung ist demnach, dass

  • ein Ersuchen vorliegt[1]
  • dieses Ersuchen den formalen Anforderungen entspricht[2]
  • dieses Ersuchen von einer für die Verfolgung und Verhütung von Straftaten zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union[3] oder eines Schengen-assoziierten Staates stammt[4]
  • ohne dass ein Ausschlussgrund für die Datenübermittlung vorliegt.[5]

Als Rechtsfolge sieht § 117a Abs. 1 S. 1 AO die Befugnis zur Übermittlung solcher personenbezogener Daten vor, die im Zusammenhang mit dem Aufgabenbereich nach § 208 AO[6] stehen. Dazu gehören alle Daten, die der Steuerfahndung in Bezug auf deren Aufgaben nach § 208 AO vorliegen, also auch Daten aus dem Besteuerungsverfahren.[7] Die Daten müssen für die Steuerfahndung verfügbar sein und nicht erst erhoben werden. Erfasst sind sowohl Daten natürlicher als auch juristischer Personen oder Personenvereinigungen.[8]

 

Rz. 4a

§ 117a AO sieht keine ausdrückliche Fristenregelung für die Beantwortung von Anfragen vor. Allerdings sind bei europarechtskonformer Auslegung die in der RbDatA genannten Fristen durch die nationalen Behörden zu beachten.[9] Gem. Art. 4 Abs. 1 RbDatA sind solche Informationen, die in Datenbanken gespeichert und der angefragten Behörde unmittelbar zugänglich sind, bei dringenden Ersuchen im Regelfall binnen 8 Stunden zu beantworten. Bei nicht dringenden Ersuchen beträgt die Frist 1 Woche. In allen anderen Fällen ist das Ersuchen binnen 2 Wochen zu beantworten. Kann die Steuerfahndung die 8-Stunden-Frist nicht einhalten, so teilt sie dies der ersuchenden Behörde auf einem Formblatt mit.[10]

 

Rz. 5

Obwohl es sich bei der Übermittlung nach Abs. 1 dem Wortlaut nach um eine Ermessensvorschrift handelt, ist bei europarechtskonformer Auslegung i. d. R. davon auszugehen, dass sich das Ermessen auf Null reduziert, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 117a AO erfüllt sind und kein Ausschlussgrund für die Übermittlung der Daten vorliegt.[11] Eine Ausnahme von dieser Ermessensreduzierung ergibt sich dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Datenweitergabe gegen den ordre-public-Grundsatz[12] verstößt.[13] Bei einem entsprechenden Verdacht ist der ersuchende Staat zur Nachbesserung seines Ersuchens aufzufordern. Wegen der klaren Regelung in Art. 8 und 9 RbDatA sind an die Annahme eines Verstoßes gegen den ordre-public-Grundsatz jedoch hohe Maßstäbe zu richten. Im Zweifelsfall kann sich die Auskunft erteilende Behörde die Wahrung des Datenschutzes von der ersuchenden Behörde garantieren lassen.[14]

[1] Zur Spontanauskunft § 117a Abs. 3 AO, vgl. Rz. 9ff.
[5] Vgl. § 117a Abs. 5 und 6 AO, vgl. Rz. 13ff.
[7] Heidner, HHSp, AO/FGO, § 117a AO Rz. 13.
[8] Heidner, HHSp, AO/FGO, § 117a AO Rz. 12.
[9] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 117a AO Rz. 7.
[10] Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des "Rahmenbeschlusses 2006/960/JI des Rates vom 18.12.2006 über die Vereinfachung des Austausches von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union" (sog. Schwedische Initiative) im Bereich der Steuerfahndung, BStBl I 2014, 539 (542).
[11] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 117a AO Rz. 5.

2.1.2 Entsprechende Geltung der innerstaatlichen Vorschriften über die Datenübermittlung, Abs. 1 S. 2

 

Rz. 6

Mit dem Verweis in § 117a Abs. 1 S. 2 AO auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Datenübermittlung im innerstaatlichen Bereich wird insbesondere auf § 30 AO verwiesen. Da nach der Intention des Rahmenbeschlusses der Informationsaustausch auf europäischer Ebene nicht mit höheren Hürden versehen sein soll als auf nationaler Ebene[1], muss die Steuerfahndung eingehende Ersuchen dahingehend prüfen, ob die Beantwortung eine zulässige Offenbarung vom Steuergeheimnis darstellt. Davon ist auszugehen, wenn eine Datenweitergabe bei einer Anfrage einer inlän...

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