Rz. 1

Das Steuerrecht ist kein Recht, das isoliert für den Geltungsbereich des Grundgesetzes betrachtet und gehandhabt werden kann. Immer mehr Personen betätigen sich international und in stark steigendem Maße berühren Sachverhalte, Handelsströme und Vermögensanlagen mehr als ein Land. Das Steuerrecht von zwei, von mehreren, vielen oder aller Staaten kann aufeinandertreffen. Das gilt sowohl für das Welteinkommensprinzip wie auch für umsatzsteuerliche Sachverhalte, die über die Grenzen reichen. Doppelbesteuerungsabkommen, aber auch andere zunächst das materielle Steuerrecht betreffende völkerrechtliche Regelungen sind durchzuführen. Die internationalen Verflechtungen und ihre Steuerfolgen in den verschiedenen Ländern erfordern eine immer engere Zusammenarbeit der Finanzbehörden der verschiedenen Länder untereinander. Hierzu ist der zwischenstaatliche Amts- und Rechtshilfeverkehr ein wichtiges Instrument, weil kein Staat auf dem Staatsgebiet eines anderen Landes (fremdes Hoheitsgebiet) hoheitliche Ermittlungshandlungen und andere hoheitliche Maßnahmen durchführen darf.

 

Rz. 2

§ 117 AO enthält zum ersten Mal im deutschen Steuerrecht eine allgemeine Regelung der zwischenstaatlichen Rechts- und Amtshilfe für den Bereich der deutschen Finanzbehörden.[1] Die zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe hatte demgegenüber vor dem 1.1.1977 allein auf der Grundlage völkerrechtlicher Vereinbarungen meist bilateraler Art stattgefunden. Die Verwaltung hatte für die Abkommensfälle wie für die Fälle ohne solche völkerrechtliche Vereinbarungen aus den Abkommen unter Heranziehung der für die Besteuerungsverfahren geltenden verfahrensrechtlichen Regelungen bestimmte Verhaltensweisen entwickelt, die in den Grundzügen und Einzelheiten weitgehend umstritten waren, insbesondere wenn sie nicht durch zwischenstaatliche Vereinbarungen eindeutig abgedeckt waren. Die seit dem 1.1.1977 geltenden Vorschriften des § 117 AO sollten und sollen einerseits klare Rechtsgrundlagen geben, andererseits die Voraussetzungen und Grenzen der zwischenstaatlichen Rechts- und Amtshilfe aufzeigen. § 117 AO hat sich dabei eng an die zuvor in der Praxis entwickelten und von der Rechtsprechung kritisch begleiteten Regeln und Verfahrensweisen angelehnt.

Geändert worden ist die Vorschrift des § 117 AO nach ihrer Schaffung zum einen durch das SteuerbereinigungsG 1985[2] durch die Aufnahme eines Hinweises auf das durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013 zum 31.12.2012 außer Kraft gesetzte EGAmtshGesetz[3] und durch eine mit dem SteuerverkürzungsbekämpfungsG v. 19.12.2001[4] veränderte Differenzierung der Anhörungspflicht[5] sowie durch das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013[6] mit dem geänderten Hinweis auf das EU-Amtshilfegesetz und den Informationsaustausch nach diesem Gesetz. Außerdem hat es Änderungen bloß redaktionellen Inhalts gegeben. § 117 AO ist schließlich ergänzt worden durch die Regelungen des § 117a und § 117b AO, die durch das Gesetz über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union v. 21.7.2012[7] in die AO eingefügt worden sind. § 117a AO regelt die Übermittlung personenbezogener Daten an Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates oder ohne ein solches durch die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Finanzbehörden für die Verhütung und Verfolgung von Straftaten.[8] § 117b AO behandelt die Frage, wofür die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Finanzbehörden die nach dem Rahmenbeschluss 2006/960/JI empfangenen Informationen verwendet werden dürfen. Der mit dem AIFM-Steueranpassungsgesetz v. 23.12.2013[9] eingeführte § 117c AO regelt die innerstaatliche Umsetzung des mit den USA geschlossenen FATCA-Abkommens und schafft eine Ermächtigungsgrundlage für den Bundesfinanzminister zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung.[10]

§ 117 AO verwendet wie auch andere Vorschriften (z. B. § 117a AO) nebeneinander die Begriffe der Rechtshilfe und der Amtshilfe. Die Unterscheidung der Begriffe wird auch außerhalb des Steuerrechts vor allem in der Lit. sehr unterschiedlich getroffen. Da überwiegend der Rechtshilfe die Unterstützung der Gerichte bei der Rechtspflege, der Amtshilfe jedoch die Hilfe einer Behörde für eine andere Behörde bei der Erfüllung der Verwaltungsaufgaben zugeordnet wird[11], wird im Folgenden wegen der Verwaltungsausrichtung der AO abgekürzt nur von Amtshilfe gesprochen.[12]

 

Rz. 3

Da die zwischenstaatliche Amtshilfe stets die Rechtskreise von mindestens zwei Staaten berührt, kann § 117 AO als nationale Vorschrift immer nur eine teilweise Lösung für das Verwaltungshandeln der deutschen Finanzbehörden bieten. Die Vorschrift ist nämlich lediglich in der Lage, das Verhalten, die Rechte und die Pflichten der Finanzbehörden der Bundesrepublik[13] im Amtshilfeverkehr zu behandeln. Auf das Verhalten, die Rechte und Pflichten der Finanzbehörden anderer...

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