2.1 Mitzuteilende Tatsachen

 

Rz. 3

Mitzuteilen sind Tatsachen, die auf eine Steuerstraftat schließen lassen. Steuerstraftaten sind die in § 369 AO aufgezählten Straftaten.[1] Ein Verdacht hinsichtlich einer Steuerordnungswidrigkeit begründet keine Mitteilungspflicht.[2]

Tatsachen lassen dann auf eine Steuerstraftat schließen, wenn sie entweder den Verdacht einer Steuerstraftat begründen oder nach kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerstraftat für ausreichend halten lassen.[3] Entgegen der früheren Fassung der Vorschrift ist ein Verdacht nun nicht mehr erforderlich, sondern ausreichend ist der Schluss auf die mögliche Steuerstraftat. Eine Anzeigepflicht besteht also, wenn nicht unerhebliche Anhaltspunkte die Wahrscheinlichkeit einer Straftat begründen. Wegen der von § 189 RAO ("haben Steuervergehen mitzuteilen") abweichenden Formulierung des § 116 AO, und weil kein dringender Tatverdacht erforderlich ist, braucht die möglicherweise mitteilungspflichtige Behörde keine weiteren Nachforschungen oder Überlegungen anzustellen, ob eine Straftat wirklich vorliegt.[4] Auch kommt es nicht auf das Vorliegen von Strafausschließungsgründen, insbesondere bei einer Selbstanzeige, oder Verjährungsfragen, an.[5] Auch der Tod eines möglichen Täters ist für die Meldepflicht unerheblich, da § 116 Abs. 1 AO bereits vom Wortlaut her an die Tat anknüpft und die Meldung wegen der Durchführung eines Besteuerungsverfahrens auch nach dem Ableben eines Täters, regelmäßig gegenüber den Erben, steuerlich ausgewertet werden kann.[6] Die mitteilungspflichtige Behörde hat beim Erkennen von Verdachtsmomenten die Mitteilung zu machen. Eine bloße Vermutung ist allerdings nicht ausreichend.[7]

Da die Grenzen zwischen Verdacht und Vermutung im Einzelfall fließend sein können, ist der Maßstab nicht zu streng anzulegen und eine Meldung im Zweifel zu erteilen.

[2] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 116 AO Rz. 29.
[3] OLG Frankfurt v. 20.12.1995, 3 VAs 25/96 u. 3 VAs 26/95, wistra 1996, 159; Wolffgang/Hendricks, in Gosch, AO/FGO, § 116 AO Rz. 24.
[4] Klein/Rätke, AO, 15. Aufl. 2020, § 116 Rz. 4.
[5] Koenig/Zöllner, AO, 4. Aufl. 2021, § 116 Rz. 5.
[6] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 116 AO, Rz. 33.
[7] Brandis, in Tipke/Kruse AO/FGO, § 116 AO Rz. 3.

2.2 Verpflichtete Institution

 

Rz. 4

Verpflichtet zur Mitteilung an die Finanzbehörde sind die Gerichte, also auch die Finanzgerichte, und die Behörden[1] der Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Träger der kommunalen Verwaltung). Nicht zum Kreis der Mitteilungspflichtigen gehören andere Behörden und Beamte sowie die berufsständischen Selbstverwaltungskörperschaften (Kammern). Ebenfalls ausgeschlossen sind durch den Wortlaut andere Finanzbehörden i. S. d. § 6 Abs. 2 AO, zu denen auch Familienkassen gehören.[2] Die Tatsachen müssen der mitteilungspflichtigen Behörde (Gericht) bzw. ihrem Amtsträger dienstlich bekannt geworden sein. Eine Vorschrift über die Art und Weise der Übermittlung ist nicht vorgesehen, sodass die Mitteilung mündlich, fernmündlich, schriftlich oder elektronisch abgegeben werden kann.[3]

[1] Vgl. zum Behördenbegriff § 6 Abs. 1 AO.
[2] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 116 AO Rz. 25.
[3] Koenig/Zöllner, AO, 4. Aufl. 2021, § 116 Rz. 7.

2.3 Adressaten der Anzeige

 

Rz. 5

Die Tatsachen sind von der mitteilungspflichtigen Behörde entweder dem BZSt oder, soweit diese bekannt sind, den für das Steuerstrafverfahren zuständigen Finanzbehörden mitzuteilen. Das ist regelmäßig das zuständige FA bzw. die zentrale Bußgeld- und Strafsachenstelle.[1] Ist diese Behörde der anzeigepflichtigen Stelle bekannt, hat diese ein Wahlrecht, an welche Stelle sie die Anzeige richtet. Nach Ausübung des Wahlrechts und entsprechender Anzeige an eine der beiden Stellen hat die dadurch informierte Stelle nach S. 2 oder 3 die Verpflichtung zur Weiterleitung der Anzeige an die jeweils andere Stelle, soweit diese nicht erkennbar bereits informiert ist. Das BZSt hat also, ausgenommen im Fall der erkennbaren unmittelbaren Information der für das Steuerstrafverfahren zuständigen Finanzbehörde, die Informationen weiterzuleiten.[2] Das ist schon deswegen wichtig, weil das BZSt im Bereich der von den Ländern verwalteten Steuern (Besitz- und Verkehrsteuern) keine eigenen Befugnisse hat und daher die Anzeigen nur registrieren und weiterleiten kann.

2.4 Folgen für eine Selbstanzeige

 

Rz. 5a

Eine Selbstanzeige gem. § 371 AO kann – neben weiteren Voraussetzungen – nur dann wirksam erfolgen, wenn die Tat, die Steuerverkürzung, nicht bereits entdeckt ist. Eine Entdeckung der Tat liegt dann vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist.[1] Dabei dürfen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose nicht überspannt werden, weil sie auf einer (noch) schmalen Tatsachenbasis erfolgen muss. Die in § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO enthaltene Definition der Tatentdeckung enthält eine doppelte, zweistufige Prognose. Zunächst ist – auf der Grundlage der vorhandenen, regelmäßig noch unvollständige...

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