Entscheidungsstichwort (Thema)

Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für gerichtlichen AdV-Antrag. Voraussetzungen für gerichtlichen AdV-Antrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird während des gerichtlichen Verfahrens betreffend die Aussetzung der Vollziehung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet, führt das nicht zur Unterbrechung des Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 240 S. 1 ZPO.

2. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt das Rechtsschutzbedürfnis des Antragsstellers für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.

3. Ein beim FG gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig, wenn zu diesem Zeitpunkt die Behörde den Antrag noch nicht abgelehnt hat und auch keine Vollstreckung droht. Eine spätere Antragsablehnung durch das FA oder eine spätere Vollstreckungsankündigung ändern daran nichts.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 4 Sätze 1-2, Abs. 3 S. 1, § 155; ZPO § 240 S. 1; InsO §§ 80, 89, 187

 

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde nicht gegeben, § 128 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO –.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines gegen ihn gerichteten Haftungsbescheides vom 28.11.2003.

Mit dem o.g. Haftungsbescheid wurde der Antragsteller als Gesellschafter der A O H u V GbR analog § 128 Handelsgesetzbuch – HGB – durch den Antragsgegner für Umsatzsteuer 1997, 1999 und 2000, für Zinsen zur Umsatzsteuer 1997 und 1999 sowie für Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 1997, 1999 und 2000 i.H.v. insgesamt 11.219,84 EUR in Haftung genommen. Dagegen legte der Antragsteller unter dem 29.12.2003 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit Bescheid vom 07.01.2004 lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung ab.

Bereits am 30.12.2003 hat der Antragsteller im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide gegen die A O H u V GbR beim Sächsischen Finanzgericht (5 V 2342/03) den streitgegenständlichen Haftungsbescheid zu der Gerichtsakte gereicht und beantragt, die Steuerschuld nach Maßgabe des Haftungsbescheides vom 28.11.2003 von der Vollziehung auszusetzen. Auf Nachfrage des Berichterstatters hat der Antragsteller unter dem 29.01.2004 bestätigt, dass damit die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides beantragt werde. Am 09.02.2004 hat er eine Vollstreckungsankündigung des Antragsgegners vom 05.02.2004 vorgelegt.

Mit Bescheid vom 11.05.2004 hat der Antragsgegner den streitgegenständlichen Haftungsbescheid i.H.v. 9.335,73 EUR von der Vollziehung ausgesetzt. Am 01.07.2004 um 10:15 Uhr ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet worden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Gericht kann im Streitfall trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers abschließend entscheiden.

Eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 1 Zivilprozessordnung – ZPO – ist nicht eingetreten. Danach wird im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei ein gerichtliches Verfahren unterbrochen, wenn es die Insolvenzmasse betrifft. So liegt es bei einem Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung nicht (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 1994 9 K 50/93, EFG 1994, 711).

Die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 FGO wäre für die Insolvenzmasse ohne Bedeutung; sie ginge nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ins Leere, weil eine Vollziehung des Haftungsbescheides i.S.v. § 69 FGO im Insolvenzverfahren ohnehin unzulässig ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15. Februar 2002 XI S 32/01, BFH/NV 2002, 940, und vom 11. August 2000 I S 5/00, BFH/NV 2001, 314, und BFH-Urteil vom 27. November 1974 I R 185/73, BStBl II 1975, 208). Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens können die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen, § 87 Insolvenzordnung – InsO –. Zahlungen des Schuldners sind ausgeschlossen, §§ 80 f. InsO. Der Insolvenzverwalter darf Zahlungen nur im Wege der Verteilung nach §§ 187 ff. InsO an die mit ihren Forderungen zur Tabelle angemeldeten Insolvenzgläubiger (§§ 174 ff. InsO) vornehmen. Vollstreckungsmaßnahmen sind unzulässig, § 89 InsO. Eine Aufrechnung mit Steuererstattungsansprüchen bleibt zwar grundsätzlich möglich (z.B. wenn bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Aufrechnungslage gegeben war, vgl. im Einzelnen § 94 bis § 96 InsO), was indessen nicht zu einem anderen Ergebnis führt. Der Insolvenzverwalter kann im Falle einer Aufrechnung durch das Finanzamt einen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) beantragen und ggf. dagegen in Einspruch gehen und Klage erheben. Ein Rechtschutzbedürfnis für eine Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes besteht aufgrund der Möglichkeit einer Vollziehung im Wege der Aufrechnung im Insolvenzverfahr...

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