rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides gegen den Arbeitgeber nach § 42d Abs.1 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Klage eines Arbeitnehmers gegen den LSt-Haftungsbescheid, der sich gegen seinen Arbeitgeber richtet, ist zulässig.
  2. Regelmäßig ist der Arbeitnehmer durch den LSt-Haftungsbescheid gegen den Arbeitgeber beschwert, insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in Regress nimmt.
  3. Zur Arbeitgeber-Haftung für LSt gemäß § 42d EStG.
  4. Ein Regressverzicht des Arbeitgebers führt nicht zu der Berechtigung, die LSt nach dem Nettosteuersatz zu berechnen. Wegen des Zuflussprinzips bleibt es beim Bruttosteuersatz.
  5. Stempelkartenprotokolle bzw. Lohnzettel können die wirklich gezahlten Löhne widerspiegeln, sofern nicht ersichtlich ist, dass der Arbeitgeber diese Angaben manipuliert hat bzw. zu erkennen ist, warum er dies hätte tun sollen.
  6. Die Klage des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber-Haftungsbescheid ist in seiner Reichweite beschränkt. Als Dritter kann der Arbeitnehmer nur Einwendungen geltend machen, wenn eine Beeinträchtigung seiner Rechtssphäre vorliegt. Haftungsbeträge, die andere Arbeitnehmer betreffen, können nicht angefochten werden.
 

Normenkette

EStG § 42d

 

Streitjahr(e)

1994, 1995, 1996, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 24.03.2010; Aktenzeichen VI B 131/09)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides gegen den Arbeitgeber der Klägerin nach § 42d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Klägerin war als Arbeitnehmerin bei A (Arbeitgeber) tätig. Dieser war Inhaber eines Einzelunternehmens, das den Betrieb einer … zum Gegenstand hatte. In dem Unternehmen waren im Streitzeitraum ca. 10 Arbeitnehmer beschäftigt, die überwiegend als Aushilfskräfte steuerlich geführt wurden.

Im Oktober 2003 erhielt der Beklagte eine anonyme Anzeige, wonach der Arbeitgeber Lohnzahlungen nicht versteuert haben soll. Daraufhin wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Arbeitgeber und einzelne Arbeitnehmerinnen eingeleitet. Bei der Durchsuchung stellte das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen B sogenannte Stempelkartenprotokolle für die Kalenderjahre 1995 bis 1998 und 2001 sicher. Weiterhin wurden Lohnzettel für einzelne Arbeitnehmerinnen für das Kalenderjahr 2003 vorgefunden.

Eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 1. Januar 1994 bis 30. September 2003 ergab, dass die in den Stempelkartenprotokollen und Lohnzetteln enthaltenen Lohnbeträge nicht mit der Lohnbuchhaltung übereinstimmten. Der Prüfer war der Ansicht, dass die in den Stempelkartenprotokollen und Lohnzetteln enthaltenen Lohnbeträge nicht versteuerte Lohnzahlungen darstellten. Für die Streitjahre, in denen keine Unterlagen vorgefunden wurden, schätzte er die unversteuerten Lohnzahlungen auf Grundlage der Zahlen des Vorjahres bzw. des Folgejahres.

Im Rahmen einer Schlussbesprechung wurde einvernehmlich mit dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers davon ausgegangen, dass die vom Prüfer ermittelten Lohnzahlungen nicht versteuert worden waren und mit dem individuell ermittelten Steuersatz nachversteuert werden sollten. Nach dem Prüfungsbericht soll der Arbeitgeber auf einen Regress gegen seine Arbeitnehmer verzichtet haben.

Am 25. November 2004 erging gegenüber dem Arbeitgeber ein Haftungsbescheid über 82.587,99 € Lohnsteuer zzgl. Nebenabgaben. Der Haftungsbescheid wurde auf § 42d Abs. 1 EStG gestützt.

Im Erläuterungsteil wurde festgehalten, dass der Arbeitgeber als Haftender an Stelle des Arbeitnehmers in Anspruch genommen werde, weil ein Haftungsausschluss nicht vorliege und der Arbeitgeber sich mit einer Inanspruchnahme habe einverstandenen erklärt.

Gegen den Haftungsbescheid legte der Arbeitgeber keinen Einspruch ein und bezahlte die Haftungsbeträge bei Fälligkeit.

Entgegen den Angaben in dem Prüfungsbericht nahm der Arbeitgeber wegen der von ihm bezahlten Lohnsteuer bei einigen Arbeitnehmerinnen Regress. Die insoweit angestrengten arbeitsgerichtlichen Prozesse sind noch nicht beendet.

Die Klägerin erfuhr im Arbeitsgerichtsverfahren von dem Haftungsbescheid und legte neben anderen Arbeitnehmerinnen am 24. November 2005 Einspruch gegen den Haftungsbescheid ein, der mit Einspruchsbescheid  vom 15. November 2007 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

In der Einspruchsentscheidung wurden die Haftungsbeträge, soweit sie die Klägerin betrafen, gesondert ausgewiesen. Unter Beachtung der dem zugrunde liegenden Lohnzahlungen an die Klägerin ergaben sich folgende Beträge[1]:

Streitjahr

Bruttolohn

Lohnsteuer

Ev. Kirchensteuer

Solidaritätszuschlag

1994

14.108,00 DM

2.444,00 DM

219,96 DM

0,00 DM

1995

14.108,00 DM

2.444,00 DM

219,96 DM

183,30 DM

1996

13.548,00 DM

2.979,00 DM

268,11 DM

223,42 DM

1997

17.739,00 DM

4.069,00 DM

366,21 DM

223,42 DM

1998

18.818,00 DM

4.486,00 DM

403,74 DM

246,73 DM

1999

18.818,00 DM

4.180,00 DM

376,20 DM

229,90 DM

2000

20.247,00 DM

4.482,00 DM

403,38 DM

246,51 DM

2001

20.247,00 DM

3.839,00 DM

345,51 DM

211,14 DM

2002

10.350,0...

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