Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung des Haftungsbescheids

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.02.1997; Aktenzeichen VII R 96/95)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Der als Urteil wirkende Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

5. Der Streitwert wird auf 473.804,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides des beklagten Finanzamtes (FA) vom 19.12.1985, mit dem es den Kläger als Geschäftsführer der … GmbH wegen Umsatzsteuerschulden 1977–1982 sowie anderer Steuern in der Höhe von insgesamt 473.804,03 DM in Anspruch genommen hat. Auf Antrag des Klägers wurde die Vollziehung des Haftungsbescheides mit Verfügung vom 27.01.1986 ausgesetzt „bis zum Abschluß des Rechtsbehelfsverfahrens”. Das FA wies mit Rechtsbehelfsentscheidung vom 2.06.1989 den Einspruch als unbegründet zurück. Hierauf hat der Kläger Klage erhoben und zunächst die Aufhebung des Haftungsbescheides beantragt. Nach rechtlichem Hinweis des Gerichts auf eine möglicherweise eingetretene Zahlungsverjährung (§ 228 der Abgabenordnung – AO–) beantragt der Kläger nunmehr die Erledigung der Hauptsache festzustellen, hilfsweise den Haftungsbescheid aufzuheben.

Das FA hält an seiner Rechtsauffassung, daß keine Zahlungsverjährung eingetreten ist, fest und beantragt die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Bei der vorliegenden einseitigen Erledigungserklärung des Klägers, der das FA die Zustimmung verweigert, ist Gegenstand des Rechtsstreits die Frage, ob durch ein Ereignis nach Klageerhebung tatsächlich die Erledigung der Hauptsache eingetreten ist (Gräber, Finanzgerichtsordnung – FGO– § 138 Tz. 19). Dies ist vorliegend der Fall, denn der Haftungsanspruch des FA ist durch Eintritt der Zahlungsverjährung erloschen, so daß das FA hieraus keine Rechte mehr herleiten kann (vgl. BFH Beschluß vom 25.4.1989 VII B 185/88, BFH/NV 1990, 112).

Gem. § 228 AO beträgt die Frist für die Zahlungsverjährung für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch der Haftungsanspruch gehört (§ 37 Abs. 1 AO), fünf Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 229 AO), also im Streitfall am 1.1.1986. Der Lauf der Verjährungsfrist wurde zwar durch die am 27.01.1986 gewährte Aussetzung der Vollziehung zunächst unterbrochen (§ 231 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Unterbrechung war jedoch befristet bis zum „Abschluß des Rechtsbehelfsverfahrens”. Der Senat legt diese Befristung dahingehend aus, daß der Kläger aus seiner Sicht annehmen durfte, daß das Rechtsbehelfsverfahren mit der Rechtsbehelfsentscheidung (§ 362 AO) vom 2.6.1989 – und nicht erst mit Rechtskraft– seinen Abschluß gefunden und damit die Unterbrechung der Zahlungsverjährung geendet hat. Somit endete die mit Ablauf des Jahres 1989 erneut anlaufende fünfjährige Verjährungsfrist am 31.12.1994, so daß der streitige Haftungsanspruch des FA seit dem 1.1.1995 erloschen ist (§ 232 AO) und der Rechtsstreit seine Erledigung gefunden hat.

Zu dem Auslegungsergebnis, daß die Befristung der Aussetzung bis zum „Abschluß des Rechtsbehelfsverfahrens” mit dem Ergehen der Rechtsbehelfsentscheidung endet, jedenfalls der Begriff des Rechtsbehelfsabschlusses mehrdeutig und unklar ist, gelangt der Senat auf Grund folgender Erwägungen:

Verwaltungsakte des FA sind unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches auszulegen. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, was die Behörde mit ihrer Erklärung gewollt hat, sondern auf den objektiven Erklärungsinhalt, wie ihn der Steuerpflichtige nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erstehen mußte. Verbleiben dabei Zweifel, ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da dieser als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus ihrer Sphäre nicht benachteiligt werden darf (BFH Urteil vom 18.7.1994 X R 33/91, zur Veröffentlichung bestimmt).

a) In der AO ist der Begriff „Rechtsbehelfsverfahren” nicht definiert. Sie regelt in ihrem 7. Teil (§§ 347368 AO) das „außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren” und bestimmt in § 347 Abs. 1 AO, in welchen Angelegenheiten die Rechtsbehelfe des 7. Teils der AO gegeben sind. Den Begriff „gerichtliches Rechtsbehelfsverfahren” verwenden weder die AO noch die FGO. Daß auch Klageverfahren nach den Vorstellungen des Gesetzgebers als ein „Rechtsbehelfsverfahren” anzusehen sind, ergibt sich – soweit ersichtlich – nur aus § 366 AO, der im Hinblick auf Form und Inhalt der außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung bestimmt, daß die Rechtsbehelfsentscheidung mit einer „Rechtsbehelfsbeleh...

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