1 Allgemeines

1.1 Begriff

 

Rz. 1

§ 22 EStG erfasst als sog. siebte Einkunftsart die sonstigen Einkünfte und ergänzt den Einkünftekatalog des § 2 Abs. 1 Nr. 1–6 EStG unsystematisch um eine Gruppe bestimmter, vom Gesetzgeber als steuerbar angesehener Besteuerungstatbestände. Dies zeigt sich darin, dass die Vorschrift überwiegend subsidiären Charakters ist, sie greift insoweit immer nur, wenn die Voraussetzungen der übrigen 6 Einkunftsarten nicht erfüllt sind, Nr. 1 S. 1, Nr. 2 i. V. m. § 23 Nr. 3 S. 4 EStG. Ob eine andere Einkunftsart erfüllt ist, ergibt sich aus §§ 1321 EStG, ggf. i. V. m. § 24 EStG.[1]

Als Ausnahmen hiervon trat § 17 EStG hinter § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG ab Vz 1994 zurück (§ 23 Abs. 2 S. 2 EStG, aufgehoben ab Vz 2009).[2] Außerdem regelt Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, die durch das AltEinkG v. 5.7.2004 (BStBl I 2004, 554) mit Wirkung ab Vz 2005 in die Vorschrift eingefügt worden ist, originär die Besteuerung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und anderer gesetzlicher Altersvorsorgeeinrichtungen (Rz. 150ff.); ebenso Nr. 5, die durch das AVmG v. 26.6.2001[3] in die Vorschrift eingefügt worden ist und die Besteuerung der Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen regelt (Rz. 193ff.).

§ 22 EStG regelt abschließend die sonstigen Besteuerungstatbestände, die ihrerseits wiederum nur beispielhaft aufgeführt worden sind; vgl. Nr. 1 S. 3 "auch", Nr. 3 "z. B.". Fallen Bezüge weder unter § 2 Nr. 1-6 EStG noch unter § 22 EStG, sind sie nicht steuerbar, z. B. Vermittlungsprovisionen bei Eigengeschäften (Rz. 170).

 

Rz. 2

Die sonstigen Einkünfte gehören zu den Überschusseinkünften i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG und werden als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt (§§ 8a–9a EStG). Gem. § 9a Nr. 3 EStG ist von den Einnahmen des § 22 Nr. 1, 1a und 5 EStG ein Werbungskostenpauschbetrag von 102 EUR abzuziehen. Beiträge, die zum Erwerb einer später zu versteuernden Altersvorsorge aufgewandt werden, also Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung oder in einen Altersvorsorgevertrag (Riesterrente), gehören systematisch zu den vorweggenommenen Werbungskosten und hätten als solche behandelt werden müssen. Dies war für die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ab Vz 2005 der Vorschlag der Rürup-Kommission. Der Gesetzgeber ist dem nicht gefolgt, sondern lässt die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zum Abzug zu. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (§ 10 EStG Rz. 55a-c, 57ff.). Die Beiträge für einen Altersvorsorgevertrag (Riesterrente) sind als (zusätzliche) Sonderausgaben nach § 10a EStG abziehbar (Rz. 193).

 

Rz. 2a

Auch die Einkünfte aus § 22 EStG verlangen bei einem Werbungskostenüberschuss die Absicht des Stpfl., auf die voraussichtliche Dauer der Betätigung oder der Vermögensnutzung einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (Einkunftserzielungsabsicht). Dabei ist die Einkunftserzielungsabsicht für jede Einkunftsquelle getrennt festzustellen, nicht für § 22 EStG insgesamt, sondern für jede einzelne der dort genannten verschiedenen Einkünfte.[4] Die Ermittlung eines Totalüberschusses erfordert eine Überschussprognose. Bei den Einkünften aus Leibrenten entspricht der zu beurteilende Zeitraum im Regelfall der Gesamtdauer der Vermögensnutzung. Dabei sind alle im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erkennbaren Verhältnisse einzubeziehen. Zur Berechnung der Überschussprognose sind die in der Tabelle des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a, Doppelbuchst. bb S. 4 EStG genannten Ertragsanteile heranzuziehen.[5] Zu den weiteren Einzelheiten vgl. § 2 EStG Rz. 75ff.

Bei privaten Rentenversicherungen ist zur Ermittlung des Totalüberschusses sowohl die garantierte Mindestrente als auch die nicht garantierte Überschussbeteiligung einheitlich mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG anzusetzen. Das gilt unabhängig davon, ob die Überschussbeteiligung als konstanter Betrag oder in degressiver Form ausgezahlt wird.[6] Bei der Prognose sind auch solche Rentenzahlungen einzubeziehen, die nach dem wahrscheinlichen Verlauf der Dinge nach dem Tod des VN an dessen Ehegatten als Hinterbliebenenrente ausgezahlt werden.[7] Bei den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung kann die Einkunftserzielungsabsicht unterstellt werden. Zweifelhaft ist die Einkunftserzielungsabsicht bei privaten Rentenversicherungen, insbesondere bei Sofortrenten gegen Einmalbetrag, wenn der Einmalbetrag finanziert wird. Die Möglichkeit, einen Rentenversicherungsvertrag innerhalb der ersten Jahre seiner Laufzeit zu kündigen, lässt nicht auf eine Kündigungsabsicht und fehlende Einkunftserzielungsabsicht schließen.[8]

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