Rz. 15

Die Begriffsmerkmale der selbstständigen Arbeit stimmen im Wesentlichen mit denen der gewerblichen Betätigung überein (§ 15 EStG Rz. 24ff.). Eine Abgrenzung kann daher nur stufenweise in der Weise erfolgen, dass geprüft wird, ob die Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 S. 1 EStG vorliegen und darüber hinaus die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 EStG erfüllt sind.[1] Ist dies zu bejahen, kann gleichwohl eine gewerbliche Betätigung vorliegen, wenn

  • der Berufsträger nicht leitend und eigenverantwortlich aufgrund eigener Fachkenntnisse tätig wird (Rz. 85ff.),
  • der Berufsträger eine gemischte Tätigkeit ausübt (Rz. 8f.), d. h. eine Betätigung, die nur z. T. zu den im § 18 EStG bezeichneten Tätigkeiten gehört, im Übrigen aber die Merkmale einer typisch gewerblichen Betätigung aufweist.

Die konkret ausgeübte Tätigkeit darf dem Berufsbild des Freiberuflers nicht wesensfremd sein. Das ist etwa der Fall bei:

  • An- und Verkauf von Waren. Eine Handelstätigkeit ist der freiberuflichen Tätigkeit wesensfremd.[2] Weitere Beispiele: Verkauf von Medikamenten seitens eines Arztes aus seiner Hausapotheke, da der Arzt insoweit in Wettbewerb zu dem gewerblich tätigen Apotheker tritt[3]; Verkauf von Einlagen durch einen Masseur und Fußpfleger; Abgabe von Tee seitens eines Heilpraktikers; Ingenieur, der Computer-Hardware veräußert; s. Rz. 10; Betrieb eines Fitness-Studios, in dem eine Sauna bereit gehalten wird und Getränke und Proteine verkauft werden.[4]
  • Vermittlungs- und absatzfördernden Leistungen. Wer – auch nur mittelbar – an der Vermittlung von Geschäftsabschlüssen beteiligt ist, wird gewerblich tätig. Eine Tätigkeit ist auf Absatzförderung gerichtet, wenn sie erfolgsabhängig (z. B. auf Provisionsbasis) vergütet wird.[5]
  • Geldgeschäften. Die Gewährung von Darlehen, die Übernahme einer Bürgschaft oder die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft stellen grundsätzlich berufsfremde Vorgänge dar.[6] Anders kann es sein, wenn das Geschäft keinen spekulativen Charakter trägt und kein eigenes wirtschaftliches Gewicht hat. Dazu ist nach der genannten Entscheidung zwischen einem "Geldgeschäft", bei dem etwa die Gewinnung eines neuen Auftraggebers lediglich ein erwünschter Nebeneffekt ist, einerseits und einem Geschäft, das ohne die Aussicht auf neue Aufträge nicht zustande gekommen wäre, andererseits zu unterscheiden.
 

Rz. 16

Darüber hinaus können formelle Gesichtspunkte für die Annahme einer gewerblichen Betätigung sprechen. Ist der Betrieb des Stpfl. im Handelsregister eingetragen, liegt hierin ein erhebliches Beweisanzeichen für die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit.[7] In diesen Fällen ist es Aufgabe des Stpfl., dieses Indiz zu entkräften, wenn er seine Tätigkeit gleichwohl für eine selbstständige (freiberufliche) hält.[8] Die sozialrechtliche und arbeitsrechtliche Einstufung ist für die steuerliche Beurteilung im Allgemeinen irrelevant. Wird ein Freiberufler im Grenzbereich von gewerblicher Tätigkeit und selbstständiger Arbeit tätig, muss er auf eine sorgfältige und nachvollziehbare Trennung seiner freiberuflichen und gewerblichen Leistungen achten und eine entsprechende Trennung auch im Rahmen der Entgeltsregelung und Rechnungsstellung zum Ausdruck bringen. Weitere Beispiele unter H 15.6 EStH 2022.

3.2.1 Abgrenzung bei Personengesellschaften

 

Rz. 17

Der Zusammenschluss von Angehörigen freier Berufe zur gemeinsamen Berufsausübung in Form einer GbR (§§ 705ff. BGB), Partnerschaft oder Partnerschaftsgesellschaft mbB[1] oder Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) führt für sich gesehen noch nicht zur Annahme gewerblicher Einkünfte. Umgekehrt folgt aus der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft aber auch nicht, dass die Gesellschafter automatisch Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit beziehen. Die Regelung des § 18 EStG ist tätigkeits- und nicht rechtsformbezogen anzuwenden.[2] Seit dem 1.1.2024 ist es mit Inkrafttreten des MoPeG[3] auch Angehörigen der Freien Berufe möglich, eine OHG und (GmbH & Co) KG zu gründen (§ 107 Abs. 1 S. 2 HGB).[4] Die bloße Eintragung in das Handelsregister führt noch nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit. Die tatbestandlichen Voraussetzungen können aber nur von den Gesellschaftern, nicht von der Personen- oder Partnerschaftsgesellschaft selbst erfüllt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass sämtliche Gesellschafter Träger eines freien Berufs sind und sie weder als persönlich haftende Gesellschafter noch...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge