Rz. 80

Die Verschmelzung stellt sich als Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang dar. Aus der Sicht der übertragenden Körperschaft liegt ein Veräußerungsgeschäft und aus der Sicht des übernehmenden Rechtsträgers ein Anschaffungsgeschäft vor. Der gegenteiligen Auffassung, wonach sich der Vermögensübergang im Rahmen der Verschmelzung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vollzieht, kann nicht gefolgt werden. Steuerlich werden allerdings die sich aus dem entgeltlichen Übertragungsvorgang ergebenden Rechtsfolgen – insbesondere durch die vorrangigen Regelungen in § 4 Abs. 2, 3 UmwStG – modifiziert.[1]

 

Rz. 81

Nach § 4 Abs. 2 S. 1 UmwStG tritt der übernehmende Rechtsträger in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Auswirkungen hat dies für den übernehmenden Rechtsträger insbesondere im Hinblick auf den Ansatz und die Bewertung der übernommenen Wirtschaftsgüter, auf die Absetzungen für Abnutzung und auf gewinnmindernde Rücklagen, die die übertragende Körperschaft gebildet hat. § 4 Abs. 2 S. 1 UmwStG ist als Generalklausel formuliert.[2] Der Eintritt in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft durch den übernehmenden Rechtsträger ist nicht auf die in § 4 Abs. 2 S. 1 UmwStG aufgezählten Sachverhalte beschränkt. Es handelt sich insoweit um keine abschließende Regelung. Dem Gesetzgeber erschien eine abschließende Regelung der vom übernehmenden Rechtsträger fortzuführenden Besteuerungsmerkmale nicht möglich.[3] Damit tritt die Übernehmerin aufgrund von § 4 Abs. 2 S. 1 UmwStG grundsätzlich vollumfänglich in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Dies gilt unabhängig davon, wie die übergegangenen Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft angesetzt worden sind.

 

Rz. 82

Ausdrücklich ausgeschlossen wird der Eintritt in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft durch § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG in Bezug auf verrechenbare Verluste, verbleibende Verlustvorträge, von der übertragenden Körperschaft nicht ausgeglichene negative Einkünfte, einen Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 S. 5 EStG und einen EBITDA-Vortrag nach § 4h Abs. 1 S. 3 EStG. Die genannten Positionen gehen nicht auf den übernehmenden Rechtsträger über.

 

Rz. 83

Nach § 4 Abs. 2 S. 1 UmwStG tritt der übernehmende Rechtsträger zwar in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Dies gilt allerdings nur insoweit, als die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft auch dem übernehmenden Rechtsträger zustehen kann. Enthält das übergehende Vermögen z. B. Anteile an einer Kapitalgesellschaft, kommt der übernehmende Rechtsträger bei der Veräußerung dieser Anteile nicht in den Genuss von § 8b KStG. Anders ist dies in den Fällen des § 8b Abs. 6 KStG.[4] Ebenfalls nicht in Anspruch nehmen kann die übernehmende Personengesellschaft die nur auf Kapitalgesellschaften bezogenen Schachtelprivilegien nach DBA.[5] Daran ändert sich regelmäßig auch dann nichts, wenn an der übernehmenden Personengesellschaft ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt sind.[6] Auch die bis zum steuerlichen Übertragungsstichtag durch die übertragende Körperschaft verwirklichten Besteuerungsgrundlagen sind nicht dem übernehmenden Rechtsträger zuzurechnen. Damit kann z. B. ein bis zum steuerlichen Übertragungsstichtag von der übertragenden Körperschaft erzielter Gewinn nicht mit vom übernehmenden Rechtsträger erwirtschafteten Verlusten verrechnet werden.[7]

[3] BT-Drs. 14/2070, 57.
[4] van Lishaut, in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, 3. Aufl. 2019, § 4 UmwStG Rz. 68.
[5] van Lishaut, in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, 3. Aufl. 2019, § 4 UmwStG Rz. 68.
[6] Weigert, in Kraft/Edelmann/Bron, UmwStG, 2. Aufl. 2019, § 4 UmwStG Rz. 135.

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