Rz. 23

Der übernehmende Rechtsträger hat die übergegangenen Wirtschaftsgüter zwingend mit den Werten aus der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft zu übernehmen.[1] Dies gilt auch dann, wenn es sich beim übertragenden Rechtsträger um eine steuerbefreite oder ausländische Körperschaft handelt. Voraussetzung ist allerdings, dass eine steuerliche Schlussbilanz zu erstellen ist. Die Übernahme erfolgt mit Wirkung zum steuerlichen Übertragungsstichtag. Der Wertansatz nach § 4 Abs. 1 S. 1 UmwStG hat z. B. Bedeutung für die weitere Abschreibung der übernommenen Wirtschaftsgüter, für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses sowie für die Höhe der Kapitalkonten der Mitunternehmer des übernehmenden Rechtsträgers. Bei der Wertverknüpfung handelt es sich um eine materiell-rechtliche Bindung, nicht dagegen um eine verfahrensrechtliche Verknüpfung im Wege eines Grundlagenbescheids.[2] Aus der materiell-rechtlichen Bindungswirkung ergibt sich für den übernehmenden Rechtsträger keine eigenständige Klagebefugnis. Zwar ist dieser als Rechtsnachfolger der übertragenden Körperschaft rechtsbehelfsbefugt. Geltung hat dies aber nur, wenn bei der übertragenden Körperschaft eine beschwerende Steuerfestsetzung vorliegt. Fehlt es daran, steht dem übernehmenden Rechtsträger eine eigenständige Rechtsschutzmöglichkeit nur im Rahmen seiner Gewinnermittlung bzw. gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte zu.[3] Eine eigenständige Klagebefugnis des übernehmenden Rechtsträgers als Drittbetroffener besteht also nicht.

 

Rz. 24

Es gilt der Grundsatz der Buchwertfortführung. Die Buchwertverknüpfung ist unabhängig davon, ob die übertragende Körperschaft das übergehende Vermögen mit dem Buchwert, einem Zwischenwert oder dem gemeinen Wert angesetzt hat. Entscheidend für die Wertverknüpfung nach § 4 Abs. 1 S. 1 UmwStG ist der tatsächliche Ansatz in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft.[4] Dies gilt auch dann, wenn der gewählte Ansatz einer entsprechenden Vereinbarung im Verschmelzungsvertrag widerspricht. Durch die Buchwertfortführung wird die spätere Besteuerung der in den übergehenden Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven bei dem übernehmenden Rechtsträger sichergestellt.

 

Rz. 25

Unter den übergegangenen Wirtschaftsgütern sind die in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft angesetzten Wirtschaftsgüter zu verstehen. Hierunter fallen auch solche Wirtschaftsgüter, die bei der übertragenden Körperschaft aufgrund des Ansatzes mit einem Zwischenwert oder dem gemeinen Wert – wie z. B. der originäre Firmenwert – erstmals in der steuerlichen Schlussbilanz zu aktivieren bzw. zu passivieren sind.[5] Gleiches gilt für Bilanzansätze, bei denen es an der Wirtschaftsgutseigenschaft fehlt.[6] Dies betrifft z. B. Rechnungsabgrenzungsposten und Sammelposten nach § 6 Abs. 2a EStG.

 

Rz. 26

Die Ansatzverbote des § 5 EStG haben für die steuerliche Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft bei Wahl des gemeinen Werts oder von Zwischenwerten keine Geltung.[7] Neben dem ungeschmälerten positiven Firmenwert sind die einzelnen stillen Lasten separat als Passivposten auszuweisen.[8] Daher sind z. B. Rückstellungen für Patentverletzungen nach § 5 Abs. 3 EStG, Jubiläumsrückstellungen nach § 5 Abs. 4 EStG oder Drohverlustrückstellungen nach § 5 Abs. 4a EStG mit ihrem wirtschaftlichen Wert in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft zu passivieren. Diese Wirtschaftsgüter sind aufgrund der zwingenden Übernahme nach § 4 Abs. 1 S. 1 UmwStG auch beim übernehmenden Rechtsträger in der Steuerbilanz zu erfassen. Die Finanzverwaltung vertritt in diesem Zusammenhang allerdings die Auffassung, dass ein in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft entgegen § 5 EStG angesetztes Wirtschaftsgut in der Steuerbilanz des übernehmenden Rechtsträgers zwar auszuweisen, in der Folgebilanz unter Anwendung des Ansatzverbots nach § 5 EStG aber wieder ertragswirksam aufzulösen ist.[9] Zu folgen ist dieser Auffassung nicht.[10] Sie widerspricht dem Anschaffungskostenprinzip. Die Verschmelzung stellt für den übernehmenden Rechtsträger – auch nach Auffassung der Finanzverwaltung[11] – einen Anschaffungsvorgang dar[12], sodass die übernommenen Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungskosten zu bewerten sind. Zu diesen Anschaffungskosten gehören auch die übernommenen Verbindlichkeiten und Rückstellungen. Werden Rückstellungen nach der Übertragung des Vermögens aufgelöst, führt dies zu einer Änderung der Anschaffungskosten mit der Folge, dass der Bilanzansatz über die Anschaffungskosten hinausgeht. Daher können die Bilanzierung der aktiven Wirtschaftsgüter und der Ansatz der Rückstellungen als Teil der Gegenleistung nicht voneinander getrennt werden. Dieses Anschaffungskostenprinzip gilt nicht nur im Zeitpunkt der Anschaffung, sondern auch an den folgenden Stichtagen. Das Prinzip der Neutralität von Anschaffungsvorgängen hat somit zeitlich uneingeschränkte Geltung. Damit sind "angeschaffte" Rü...

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