Rz. 59

Der Eintritt der übernehmenden Gesellschaft in die steuerliche Rechtsstellung des Einbringenden bewirkt, dass die Realisierung von steuerrelevanten Tatbeständen in Bezug auf das eingebrachte Betriebsvermögen durch den Einbringenden vor dem Einbringungszeitpunkt nicht nur dem Einbringenden selbst, sondern zusätzlich auch der übernehmenden Gesellschaft zuzurechnen ist, soweit die realisierten Sachverhalte tatbestandsmäßig für die übernehmende Gesellschaft für nach dem Einbringungszeitpunkt eintretende Rechtsfolgen steuerlich von Bedeutung sind.[1]

 

Rz. 60

Hierbei ist jedoch einschränkend zu beachten, dass die übernehmende Gesellschaft sich nicht kumulativ auf die vor dem Einbringungszeitpunkt von ihr selbst und von dem Einbringenden realisierten steuerrelevanten Tatbestände berufen kann. Der Eintritt in die Rechtsstellung bewirkt nicht, dass rückwirkend bereits für die Zeit vor dem Einbringungszeitpunkt so getan wird, als ob die eingebrachten Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft gehört hätten.[2]

 

Rz. 61

Die kumulative Berücksichtigung der vom Einbringenden und von der übernehmenden Gesellschaft vor dem Einbringungszeitpunkt realisierten Tatbestände würde auf der Tatbestandsebene einer steuerlichen Rückwirkung gleichkommen, welche für die Einbringung von Unternehmensteilen explizit in § 20 Abs. 6 UmwStG[3] geregelt und für den Anteilstausch i. S. d. § 21 UmwStG ausgeschlossen ist.[4]

 

Rz. 62

Daher kann sich die übernehmende Gesellschaft nur auf die von ihr selbst nach dem Einbringungszeitpunkt verwirklichten Tatbestände und zusätzlich entweder auf die von ihr selbst oder auf die von dem Einbringenden vor dem Einbringungszeitpunkt verwirklichten Tatbestände berufen.

 
Praxis-Beispiel

Die A-GmbH ist seit 4 Jahren zu 10 % an der inl. B-GmbH beteiligt. Am 1.6.02 bringt S im Wege einer Einbringung gem. § 20 UmwStG mit steuerlicher Rückwirkung zum 1.11.01 steuerneutral weitere

a) 10 %
b) 20 %

an der B-GmbH, welche auch er bereits seit 4 Jahren hält, in die A-GmbH mit ein. Im Dezember 02 schüttet die B-GmbH eine Dividende aus. Im Dezember der Jahre 01 und 00 hatte sie ebenfalls Dividenden ausgeschüttet.

Sofern die eingebrachten Anteile z. B. tatsächlich zu dem eingebrachten Unternehmensteil gehören, fällt auch deren Einbringung unter § 20 UmwStG, sodass die Voraussetzungen eines qualifizierten Anteilstauschs entbehrlich sind und die Einbringung auch der Anteile an der B-GmbH steuerneutral und mit steuerlicher Rückwirkung auf den 1.11.01 möglich ist.

Fraglich ist, in welchen Jahren das Schachtelprivileg des § 9 Nr. 2a GewStG zur Anwendung kommt. Voraussetzung hierfür ist eine Mindestbeteiligungsquote von 15 % zum Beginn des Kalenderjahrs.

Unstreitig dürfte sein, dass für das Jahr 02 das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg sowohl im Fall a) als auch im Fall b) insgesamt zur Anwendung kommt, da aufgrund der zulässigen steuerlichen Rückwirkung bereits zum 1.11.01, mithin unstreitig auch zu Beginn des Erhebungszeitraums 02, die A-GmbH 20 bzw. 30 % der Anteile an der B-GmbH hält.

10 % der Anteile an der B-GmbH werden von der übernehmenden A-GmbH darüber hinaus bereits seit 4 Jahren, also zu Beginn des Erhebungszeitraums 01 als auch zu Beginn des Erhebungszeitraums 00 gehalten.

Die mit Wirkung zum 1.11.01 eingebrachten 10 bzw. 20 % der Anteile wurden zu Beginn des Erhebungszeitraums 01 als auch des Erhebungszeitraums 00 noch von S gehalten. Diese eingebrachten Anteile gelten aufgrund der Anrechnung der Vorbesitzzeiten gem. § 23 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG ebenfalls als bereits zu Beginn des Erhebungszeitraums 01 sowie des Erhebungszeitraums 00 von der A-GmbH gehalten. Dies betrifft jedoch nur das zeitliche Moment.

Unstreitig dürfte wohl sein, dass der Eintritt in die Rechtsstellung gem. § 23 Abs. 1 i. V. m. § 12 Abs. 3 Hs. 1 nicht zurückwirkt auf die im Erhebungszeitraum 00 zugeflossene Dividende, da sonst eine gesetzliche Rechtsfolge, die bereits vor dem Einbringungszeitpunkt eingetreten ist, rückwirkend von dem Einbringungsvorgang beeinflusst würde. Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg kann also von der übernehmenden A-GmbH zweifelsfrei nicht rückwirkend für das Jahr 00 in Anspruch genommen werden.

Fraglich ist hingegen, ob das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg wenigstens für das Jahr 01 in Anspruch genommen werden kann, mithin ob die A-GmbH aufgrund des Eintritts in die steuerliche Rechtsstellung des S als bereits zu Beginn des Erhebungszeitraums 01 zu mindestens 15 % an der B-GmbH beteiligt gilt.

Nach der hier vertretenen Auffassung hat der Eintritt in die steuerliche Rechtsstellung nicht zur Folge, dass die vor dem Einbringungszeitpunkt von S und der A-GmbH verwirklichten Tatbestände kumulativ als Tatbestandsvoraussetzung wirken. Die A-GmbH kann sich für die Zeit vor dem Einbringungszeitpunkt nur getrennt entweder auf die von ihr selbst realisierten Sachverhalte (Beteiligung i. H. v. 10 %) oder getrennt als Rechtsnachfolger auf die von S realisierten Sachverhalte (Beteiligung i...

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