Rz. 66

Die hier vertretene inhaltliche Gleichsetzung von "Veräußerung" und "entgeltlicher Übertragung auf einen anderen Rechtsträger" steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH, wonach unter einer Veräußerung die entgeltliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Gesellschaftsanteilen auf einen anderen Rechtsträger zu verstehen ist.[1]

 

Rz. 67

Gegen die hier vertretene inhaltliche Gleichstellung der Veräußerung i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG mit der entgeltlichen Übertragung auf einen anderen Rechtsträger könnte sprechen, dass der Gesetzgeber in § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG die entgeltliche Übertragung der erhaltenen Anteile der Veräußerung quasi gleichstellt. Daraus könnte der Umkehrschluss abgeleitet werden, dass eine entgeltliche Übertragung der erhaltenen Anteile per se nicht den Veräußerungstatbestand erfüllt, denn sonst hätte es dieser ausdrücklichen Gleichstellung nicht bedurft.

 

Rz. 68

Nach der hier vertretenen Auffassung ist dieser Gesetzesformulierung jedoch keine Bedeutung beizumessen, da es dem Gesetzgeber hierbei nur um die darauffolgende Ausnahme ging, dass nämlich bei einer Übertragung gem. § 20 oder § 21 UmwStG zu Buchwerten keine Veräußerung angenommen werden soll. Daher führt der Ersatztatbestand des § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG nicht zu einer einschränkenden Auslegung des Veräußerungsbegriffs i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG.[2]

 

Rz. 69

Die klassischen Fälle einer entgeltlichen Übertragung sind der Verkauf gem. § 433 BGB und der Tausch gem. § 480 BGB.

 

Rz. 70

Einer entgeltlichen Übertragung von Anteilen steht auch die entgeltliche Veräußerung eines Bezugsrechts bzw. der entgeltliche Verzicht auf dessen Ausübung gleich, da ein Bezugsrecht eine Anwartschaft auf eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft darstellt.[3]

 

Rz. 71

Wie eine entgeltliche Übertragung durch den Gesellschafter sind auch die Einziehung von GmbH-Anteilen gegen Entgelt nach § 34 GmbHG und der Erwerb von eigenen Anteilen durch die GmbH nach § 33 GmbHG zu beurteilen.

 

Rz. 72

Eine entgeltliche Übertragung liegt auch vor beim entgeltlichen Ausschluss bzw. Austritt aus der Kapitalgesellschaft und beim Ausscheiden eines Gesellschafters z. B. im Rahmen einer Verschmelzung gegen Barabfindung.[4]

 

Rz. 73

Werden wertlose Anteile unter Fremden ohne eine Gegenleistung übertragen, so kann eine entgeltliche Übertragung anzunehmen sein.[5]

 

Rz. 74

Eine entgeltliche Übertragung sperrfristverstrickter Anteile liegt auch insoweit vor, als ein Mitunternehmer, der mittelbar Einbringender ist, seinen Mitunternehmeranteil veräußert und die sperrfristverstrickten Anteile noch zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft gehören.[6]

Rz. 75 einsweilen frei

 

Rz. 76

Im Fall einer teilentgeltlichen Übertragung ist der Umfang der Entgeltlichkeit nach der Trennungstheorie zu bestimmen[7], da nur insoweit die Rechtsfolgen des § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG ausgelöst werden.

Soweit die Übertragung unentgeltlich erfolgt, ist danach zu differenzieren, ob die sperrfristverstrickten Anteile auf eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft[8] oder auf einen anderen Rechtsträger[9] übertragen werden.

 

Rz. 77

Ein zivilrechtlicher Verkauf stellt ausnahmsweise insoweit keine Veräußerung i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG dar, als die sperrfristverstrickten Anteile vom Einbringenden an eine vermögensverwaltende und nicht gewerblich geprägte Personengesellschaft verkauft werden und der Einbringende an dieser Personengesellschaft beteiligt ist. Aufgrund der für die vermögensverwaltende Personengesellschaft geltenden Bruchteilsbetrachtung gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO liegt keine steuerrelevante Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums vor, soweit der Verkäufer über die Bruchteilsbetrachtung weiterhin an den übertragenen Wirtschaftsgütern beteiligt ist.[10]

 

Rz. 78

Sofern man das Tauschgutachten des BFH[11] in Einzelfällen beim Tausch von art-, wert- und funktionsgleichen Anteilen des Privatvermögens noch für anwendbar hält[12], ist ausnahmsweise ebenfalls keine entgeltliche Übertragung anzunehmen. Der BFH hat nämlich nicht bloß die Übertragung der stillen Reserven für zulässig erachtet, sondern er ist aufgrund der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise abweichend von der bürgerlich-rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis gekommen, dass steuerlich kein Anschaffungsgeschäft und auch kein Tauschvorgang vorliegt, weil die hingegebenen und die erhaltenen Anteile wirtschaftlich identisch seien.

Infolge der vom BFH angenommenen wirtschaftlichen Identität wäre jedoch auch nicht von einer unentgeltlichen Übertragung der Anteile auf einen anderen Rechtsträger auszugehen. Vielmehr würden die erhaltenen Anteile im Wege der "Fußstapfentheorie" an die Stelle der hingegebenen Anteile treten und dabei auch den Status der Sperrfristverstrickung übernehmen.

 

Rz. 79

Veräußerungsfiktionen, z. B. des § 12 Abs. 1 KStG, gelten nicht als eine Veräußerung i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG.[13]

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