Rz. 78

Der sachliche Anwendungsbereich der §§ 319 UmwStG, d. h., die Anwendung des Gesetzes auf die verschiedenen Umwandlungsarten ohne Einbringungen, ergibt sich aus § 1 Abs. 1 UmwStG. Nach Abs. 1 gelten der Zweite bis Fünfte Teil des UmwStG, also die §§ 319 UmwStG, bei inl. Umwandlungen für alle Umwandlungsarten i. S. d. § 1 Abs. 1, 2 UmwG, die in den persönlichen Anwendungsbereich fallen. Hiervon ausgenommen ist die Ausgliederung, die als Einbringung nach den §§ 20, 21 UmwStG behandelt wird. Dies bedeutet, dass die im UmwG vorgesehenen Umwandlungsformen abschließend geregelt sind.[1] Eine Umwandlung, die nicht unter das UmwStG fällt und auch nicht in § 1 Abs. 2 UmwG vorgesehen ist, kann daher nicht steuerneutral durchgeführt werden. Für ausl. Umwandlungen, die also ausl. Umwandlungsrecht unterliegen, gilt das UmwStG, wenn der Vorgang einer inl. Umwandlung nach dem UmwG vergleichbar ist (s. Rz. 93ff.). Die Umwandlung von SE und SCE richtet sich nach dem jeweiligen europäischen Recht.

 

Rz. 79

Grundsätzlich erfasst das UmwStG also die Verschmelzung, die Spaltung, die Vermögensübertragung und den Formwechsel. Gegenüber dem weiten Anwendungsbereich des § 1 UmwG schränkt § 1 Abs. 1 UmwStG den Geltungsbereich der §§ 319 UmwStG jedoch ein. Nach § 1 Abs. 1 UmwStG fallen unter die §§ 319 UmwStG nur Körperschaften als übertragende Rechtsträger. Für Personengesellschaften als übertragende Rechtsträger gelten die Einbringungsvorschriften der §§ 20ff. UmwStG. Ist eine Körperschaft übertragender Rechtsträger, gelten die §§ 319 UmwStG unabhängig davon, ob Körperschaften, Personengesellschaften oder natürliche Personen als übernehmende Rechtsträger beteiligt sind. Die EWiV steht einer OHG gleich und kann daher übernehmender Rechtsträger sein.[2]

 

Rz. 80

Die §§ 3–19 UmwStG gelten somit für

  • Verschmelzungen i. S. d. § 2 UmwG, Spaltungen in der Form der Aufspaltung oder Abspaltung i. S. d. § 123 UmwG, vergleichbare ausl. Vorgänge (s. Rz. 100, Rz. 106) sowie Gründungen von SE durch Verschmelzung nach Art. 17 der SE-VO[3] und Gründungen von SCE durch Verschmelzung nach Art. 19 SCE-VO[4];
  • Formwechsel i. S. d. § 190 Abs. 1 UmwG oder vergleichbare ausl. Vorgänge (s. Rz. 108);
  • Umwandlungen nach anderen Bundes- oder Landesgesetzen i. S. d. § 1 Abs. 2 UmwG, soweit diese einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung entsprechen (s. Rz. 91);
  • Vermögensübertragungen i. S. d. § 174 UmwG.
 

Rz. 81

Nicht ausdrücklich in § 1 Abs. 1 UmwStG erwähnt bzw. in Bezug genommen ist die grenzüberschreitende Verschmelzung nach § 122a UmwG. Dies beruht darauf, dass diese Vorschrift zum Zeitpunkt der Neufassung des UmwStG noch nicht erlassen war. Eine grenzüberschreitende Verschmelzung ist aber, trotz ihrer Regelung in einem eigenen Abschnitt, eine "Verschmelzung i. S. d. § 2 UmwG", obwohl diese Vorschrift direkt nur auf inl. Verschmelzungen anwendbar ist, und fällt daher unter das UmwStG.[5] Die durch die spätere Schaffung des § 122a UmwG entstandene Lücke im UmwStG lässt sich durch Analogie schließen. Zumindest ist eine europarechtskonforme Auslegung möglich und auch erforderlich, weil § 122a UmwG auf der EG-Richtlinie Nr. 2005/56/EG v. 26.10.2005[6] beruht und die Verweigerung der Steuerneutralität gegen die FRL verstoßen würde, also europarechtswidrig wäre. Für Umwandlungen deren Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022 liegt, wird der Vorgang nur dann vom Zweiten bis Fünften Teil des UmwStG erfasst, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 UmwStG gegeben sind.

 

Rz. 82

Unter die §§ 319 UmwStG fallen Verschmelzungen im unternehmensrechtlichen Sinne. Eine Verschmelzung nach § 2 UmwG ist die Übertragung des Vermögens eines Rechtsträgers (übertragender Rechtsträger) auf einen bestehenden Rechtsträger (übernehmender Rechtsträger) – Verschmelzung durch Aufnahme, § 2 Nr. 1 UmwG oder von mindestens 2 übertragenden Rechtsträgern auf einen neu gegründeten Rechtsträger: Verschmelzung durch Neugründung, § 2 Nr. 2 UmwG. Der oder die übertragenden Rechtsträger wird bzw. werden durch die Verschmelzung aufgelöst.

 

Rz. 82a

Seit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (sog. KöMoG) v. 25.6.2021 (s. Rz. 33) kann eine Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft zur Körperschaftsbesteuerung optieren, § 1a KStG. Die Gesellschaft wird "für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen wie eine Kapitalgesellschaft (optierende Gesellschaft) behandelt". Zivilrechtlich bleibt die Gesellschaft indessen weiterhin eine Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft. Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus einer optierenden Gesellschaft aus, erfolgt zivilrechtlich die Beendigung der Gesellschaft, weil eine Ein-Mann Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft zivilrechtlich nicht existieren kann. § 1a Abs. 4 S. 5 KStG fingiert in diesem Fall eine Verschmelzung nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwStG der optierenden Gesellschaft auf den verbleibenden Gesellschafter, sofern dieser die persönlichen Voraussetzungen eines übernehmenden Rechtsträgers nach § 1 Abs. 1 ...

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