Rz. 55

Ein Umwandlungsvorgang wirkt regelmäßig gewinnrealisierend. Im nationalen Bereich verwirklicht er den Gewinnrealisierungstatbestand der Veräußerung bzw. des veräußerungsähnlichen Vorgangs oder der Einlage, bei grenzüberschreitenden Vorgängen (auch) die Entstrickungstatbestände des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG. Ist bei einer Verschmelzung z. B. der übertragende Rechtsträger nicht an dem übernehmenden Rechtsträger beteiligt (Seitwärtsverschmelzung, Abwärtsverschmelzung oder Verschmelzung zwischen nicht verbundenen Unternehmen), erbringt der übertragende Rechtsträger eine Leistung, während die Gegenleistung, die Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger, in das Vermögen der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers übergehen. Entsprechendes gilt für Spaltungsfälle mit Ausnahme der Ausgliederung. Dies sind typische Konstellationen für verdeckte Gewinnausschüttungen bei Kapitalgesellschaften bzw. für Entnahmen bei Personengesellschaften als übertragenden Rechtsträgern. Beides würde gewinnrealisierend wirken. Daher würde ein Umwandlungsvorgang zur Aufdeckung stiller Reserven führen, ohne dass ein besonderer Gewinnrealisierungstatbestand im UmwStG erforderlich wäre. In Übereinstimmung hiermit, aber auch zur Vermeidung von Zweifelsfragen sowie zur Festlegung des Bewertungsmaßstabs, fordert das UmwStG, dass der Umwandlungsvorgang regelmäßig zum gemeinen Wert, also unter Gewinnrealisierung, abzuwickeln ist.[1]

 

Rz. 56

Anknüpfend hieran gewährt das UmwStG dem Stpfl. regelmäßig das Wahlrecht, die Umwandlung zum Buchwert oder einem höheren Wert (Zwischenwert), höchstens aber dem gemeinen Wert abzuwickeln. Dadurch kann eine Gewinnrealisierung vollständig oder teilweise vermieden werden. Die Umwandlungsvorgänge sind dadurch nicht mit prohibitiven Ertragsteuerbelastungen verknüpft.

 

Rz. 57

Bei der Frage nach der Steuerneutralität der Umwandlung sind 3 Ebenen zu unterscheiden, auf denen sich Gewinnrealisierungen und damit steuerliche Belastungen ergeben können. Dies sind die Ebene des übertragenden Rechtsträgers, die Ebene des übernehmenden Rechtsträgers und die Ebene der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers, bei einer Umwandlung in eine Personengesellschaft auch die Ebene der Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers.

 

Rz. 58

Die Vermeidung der Gewinnrealisierung ist steuerpolitisch nur tragbar, wenn dadurch keine endgültigen Steuervorteile entstehen; die spätere Versteuerung der stillen Reserven muss sichergestellt sein. Das UmwStG sichert dies durch die Fortführung der Buchwerte und die Voraussetzung, dass die spätere Versteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist.[2] Das gilt auch für die grenzüberschreitende Umwandlung; auch hierbei darf das in Deutschland steuerlich gebundene Steuersubstrat nicht vermindert werden. Die Umwandlung ermöglicht daher nur eine Fortführung des bisherigen unternehmerischen Engagements in anderer Rechtsform, nicht aber das endgültige steuerfreie Ausscheiden aus der steuerlichen Verstrickung.

[2] Zum Grundanliegen aller steuerrechtlichen Umstrukturierungstatbestände des steuerneutralen Übergangs von stillen Reserven Desens, DStJG 43 (2020), 73, 74ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge