Rz. 8

Das deutsche Umwandlungssteuerrecht war bis zum "Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG)" v. 12.12.2006[1] im Wesentlichen national ausgerichtet. Grund hierfür war die Anlehnung des UmwStG hinsichtlich seines persönlichen Regelungsbereichs an das unternehmensrechtliche UmwG (s. Rz. 38ff.). Das UmwG enthielt keine Rechtsgrundlagen für grenzüberschreitende Umwandlungen.

 

Rz. 9

Diese rein nationale Sicht des Umwandlungs- und Umwandlungssteuerrechts wurde der Realität der Internationalisierung der Wirtschaft nicht mehr gerecht. Unter besonderen Druck ist diese nationale Sicht aber durch die Rechtsentwicklung in der EU und die Rspr. des EuGH zu den Grundfreiheiten geraten. Einen ersten Schritt in Richtung Europäisierung des Umwandlungssteuerrechts hatte die sog. Fusionsrichtlinie 90/434/EWG des Rates v. 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen[2], gebracht. Die Umsetzung der die Einbringung betreffenden Regeln ist durch § 23 des UmwStG i. d. F. v. 28.10.1994[3] erfolgt. Die Vorschrift regelte für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften die steuerneutrale Einbringung eines Betriebs in die inl. Betriebsstätte einer beschränkt steuerpflichtigen EU-Kapitalgesellschaft (Abs. 1), für beschränkt steuerpflichtige EU-Kapitalgesellschaften die steuerneutrale Einbringung eines inl. Betriebs in eine unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige EU-Kapitalgesellschaft (Abs. 2), für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften die steuerneutrale Einbringung einer in der EU belegenen Betriebsstätte in eine beschränkt steuerpflichtige EU-Kapitalgesellschaft (Abs. 3), und die steuerneutrale Einbringung von Anteilen an einer EU-Kapitalgesellschaft in eine andere EU-Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (Anteilstausch). Praktisch hatte nur der letzte der 4 Fälle eine gewisse Bedeutung erlangt. Die übrigen Vorschriften der Fusionsrichtlinie wurden nicht umgesetzt, weil es an einer unternehmensrechtlichen Regelung für grenzüberschreitende Umwandlungen fehlte.

 

Rz. 10

Seit Erlass der Fusionsrichtlinie im Jahr 1990 (s. Rz. 9) ist die europäische Rechtsentwicklung jedoch erheblich fortgeschritten. Rechtsgrundlagen für grenzüberschreitende Verschmelzungen sind entweder durch EU-Recht selbst geschaffen worden oder Richtlinien haben die Schaffung solcher Rechtsgrundlagen durch nationales Recht erzwungen. Zu nennen sind hier die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft[4] und die Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates v. 22.7.2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft.[5] Beide Verordnungen ermöglichen die Gründung einer SE bzw. SCE durch eine grenzüberschreitende Verschmelzung und schaffen dafür selbst die unternehmensrechtlichen Grundlagen. Diese Rechtsgrundlagen für die grenzüberschreitende Verschmelzung bilden für die Fälle der SE und SCE unmittelbar anwendbares Recht, auch ohne Umsetzung in der Bundesrepublik.

 

Rz. 11

Für die grenzüberschreitende Verschmelzung anderer Rechtsformen als der SE und der SCE gelten diese europarechtlichen Rechtsgrundlagen nicht. Allerdings hat die Rspr. des EuGH zu den Grundfreiheiten auch insoweit Bedeutung erlangt, als sie die "nationale" Sicht des deutschen UmwG und des UmwStG auf Dauer unhaltbar erscheinen ließ. So hat der EuGH[6] in einem Fall, in dem der übernehmende Rechtsträger in der Bundesrepublik ansässig war, entschieden, dass die Bundesrepublik diese Verschmelzung (die nach dem Recht des Staats des übertragenden Rechtsträgers zulässig war) als wirksam anerkennen musste.[7]

 

Rz. 12

Über die (unternehmensrechtliche) Behandlung von grenzüberschreitenden Verschmelzungen einer deutschen Kapitalgesellschaft als übertragendem Rechtsträger war damit jedoch nicht entschieden worden. Dies geschah durch die Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten[8], die unternehmensrechtlich grenzüberschreitende Verschmelzungen vorsah.[9] Diese Richtlinie ist durch das Zweite Gesetz zur Änderung des UmwG v. 19.4.2007[10] durch Einfügung der §§ 122aff. in das UmwG umgesetzt worden. Dies erforderte i. V. m. der geänderten FRL, eine grenzüberschreitende Verschmelzung steuerneutral zu gestalten. Diese Regelungen erfassen jedoch nur grenzüberschreitende Verschmelzungen, nicht grenzüberschreitende Spaltungen.

 

Rz. 12a

Hinzu kam, dass die Richtlinie 2009/133/EG des Rates v. 19.10.2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer SE oder einer SCE von einem Mitgliedstaat in einen anderen ...

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