Rz. 263

Die verdeckte Gewinnausschüttung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft ist materiell- und verfahrensrechtlich unabhängig von der verdeckten Gewinnausschüttung auf der Ebene des Gesellschafters, selbst wenn es sich um den gleichen Sachverhalt handelt. Die Entscheidung über die verdeckte Gewinnausschüttung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft entfaltet daher keine Bindung für die Entscheidung auf der Ebene des Gesellschafters. Das gilt auch, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft unbestritten und bestandskräftig festgestellt ist.[1]

Eine Bindung des Gesellschafter-Geschäftsführers an die Entscheidung über den Körperschaftsteuerbescheid ergibt sich auch nicht aus § 166 AO. Nach dieser Vorschrift kann der Vertreter der Kapitalgesellschaft, also der Gesellschafter-Geschäftsführer, nicht mehr die Richtigkeit der Körperschaftsteuerfestsetzung bestreiten, z. B. wenn er in Haftung genommen wird. Das betrifft aber nur die Richtigkeit der Festsetzung der Körperschaftsteuer. Hieraus folgt nicht, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer auch hinsichtlich der Festsetzung der eigenen Einkommensteuer keine Einwendungen mehr erheben kann. Nach dem klaren Wortlaut des § 166 AO folgt aus der Richtigkeit der Festsetzung der Körperschaftsteuer nicht, dass auch die entsprechende Festsetzung der Einkommensteuer nicht mehr angegriffen werden kann.[2]

 
Praxis-Beispiel

Die GmbH zahlt dem Gesellschafter-Geschäftsführer ein Gehalt, das um 100 überhöht ist. Der Geschäftsführer hat das gesamte Gehalt der LSt unterworfen. Bei der GmbH findet eine Außenprüfung statt, bei der der Betrag von 100 als verdeckte Gewinnausschüttung eingeordnet und besteuert wird. Bei dem Gesellschafter kann die Steuerfestsetzung bestandskräftig sein, es kann auch die Festsetzungsfrist abgelaufen sein. Dann können bei ihm die Folgerungen aus dem Teileinkünfteverfahren oder der Abgeltungsbesteuerung nicht mehr gezogen werden. Es erfolgt dann eine dem Gesetz widersprechende Doppelbesteuerung.

 

Rz. 264

Damit stellt sich die Frage, ob die Steuerfestsetzung bei dem Gesellschafter angepasst werden kann. Das ist nur möglich, wenn eine Änderungsvorschrift greift und die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Die Feststellung der verdeckten Gewinnausschüttung auf der Ebene der Gesellschaft ist kein Ereignis mit Rückwirkung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, die geänderte Steuerfestsetzung bei der Gesellschaft ist auch kein Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung bei dem Gesellschafter nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO. Auch eine widerstreitende Steuerfestsetzung nach § 174 AO liegt nicht vor.

Zusätzliche Probleme entstehen, wenn die Festsetzungsfrist für den Gesellschafter wegen der langen Dauer des Verfahrens bei der Kapitalgesellschaft abgelaufen ist. Die Außenprüfung bei der Kapitalgesellschaft hemmt die Festsetzungsfrist bei dem Gesellschafter nicht.[3]

 

Rz. 265

Um die damit verbundenen verfahrensrechtlichen Probleme zu vermeiden, hat der Gesetzgeber in § 32a Abs. 1 KStG eine besondere Regelung für die Durchbrechung der Bestandskraft und der Festsetzungsfrist in den genannten Fällen geschaffen.[4]

Zu Verfahrensfragen der KapESt auf die verdeckte Gewinnausschüttung Rz. 262a.

 

Rz. 265a

Der Gesellschafter hat die verdeckte Gewinnausschüttung als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG mit dem Pauschalsteuersatz von 25 % zu versteuern. Er kann jedoch nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG den Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens stellen, wenn es sich um eine "unternehmerische Beteiligung" i. S. d. § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 1 EStG handelt, wobei der Antrag grundsätzlich für 5 Jahre bindend ist und für alle Einkünfte aus Kapitalvermögen aus der Beteiligung gilt. Für den Antrag gilt die Frist nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 4 EStG, d. h. er ist spätestens mit der Einkommensteuererklärung zu stellen. Das gilt für eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann, wenn der Gesellschafter die Einkünfte nicht als Kapitaleinkünfte, sondern z. B. als Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit qualifiziert hat. Eine nachträgliche Antragstellung ist daher nicht möglich, auch nicht, wenn die Einkommensteuererklärung berichtigt wird, da die Berichtigung keine "Steuererklärung" in diesem Sinne ist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 110 AO, ist bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen möglich, jedoch wird die Jahresfrist hierfür verstrichen sein, wenn die Qualifizierung als verdeckte Gewinnausschüttung erst in der Außenprüfung erfolgt. Ein Fall höherer Gewalt liegt regelmäßig nicht vor. Eine Möglichkeit für den Gesellschafter, die Pauschalbesteuerung zu vermeiden und zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens zu kommen, ist, den Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 4 EStG vorsorglich zu stellen.[5]

Denkbar ist auch die Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG.

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