Rz. 210

Körperschaftsteuerlich ist die verdeckte Gewinnausschüttung dann zu erfassen, wenn der auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage beruhende Vorgang dem § 8 Abs. 3 KStG widerspricht, d. h. wenn die Einkünfte bzw. das Einkommen ohne eine Korrektur niedriger wäre als ohne die in der verdeckten Gewinnausschüttung liegende Einkommensverwendung.[1] Da die verdeckte Gewinnausschüttung in der Form eines betrieblichen Vorgangs erscheint und betriebliche Vorgänge im Bilanzergebnis erfasst werden, bedeutet dies, dass die Korrektur in dem Zeitpunkt und in der Höhe zu erfolgen hat, in dem der Bilanzgewinn und damit die Einkünfte und das Einkommen durch den Vorgang gemindert worden sind. Nur diese Minderung ist durch die Korrektur bei der Einkommensermittlung rückgängig zu machen.

 

Rz. 210a

Wirkt sich die verdeckte Gewinnausschüttung auf die Bilanz der Gesellschaft aus (Abgang von Vermögensgegenständen; Aktivierung eines nicht vollwertigen Anspruchs; Rückstellung), tritt die Gewinn- und Einkommensminderung in dem Zeitpunkt ein, in dem sie in der Bilanz ausgewiesen wird. Bei der verhinderten Vermögensmehrung ist der maßgebende Zeitpunkt derjenige, zu dem die Vermögensmehrung bei Vereinbarung angemessener Bedingungen nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung hätte ausgewiesen werden müssen.[2]

 

Rz. 210b

Korrekturen aus Anlass einer verdeckten Gewinnausschüttung dürfen also nicht mechanisch vorgenommen werden. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt die Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung, die als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren ist, über den Bilanzgewinn die Einkünfte und das Einkommen der Gesellschaft gemindert haben. Nur zu diesem Zeitpunkt und nur in dieser Höhe ist eine Korrektur vorzunehmen.

 

Rz. 211

Das bedeutet, dass die verdeckte Gewinnausschüttung nur in dem Veranlagungszeitraum erfasst werden darf, in dem die Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung einkommenswirksam war, d. h. die Einkünfte und das Einkommen tatsächlich gemindert hat. Es ist daher ein Unterschied zu machen zwischen der Berichtigung der Bilanz (z. B. durch Auflösung einer handelsrechtlich und/oder steuerlich unzulässigen Rückstellung) und der Einkommenserhöhung aufgrund einer verdeckten Gewinnausschüttung.[3] Die Berichtigung einer unrichtigen Bilanz aufgrund einer unzulässigen Rückstellung kann in der ersten noch "offenen" Bilanz erfolgen, also der Schlussbilanz in dem Vz, in dem die Steuerfestsetzung noch geändert werden kann. Die "Zweischneidigkeit" der Bilanz führt daher zu einem "automatischen Fehlerausgleich". Die Einkommenserhöhung aufgrund einer verdeckten Gewinnausschüttung kann dagegen nur in dem Vz erfolgen, in dem die Einkünfte und das Einkommen durch die verdeckte Gewinnausschüttung gemindert worden sind. Bei der Ermittlung der Einkünfte und des Einkommens gibt es keine der Steuerbilanz vergleichbare "Zweischneidigkeit" und daher keinen automatischen Fehlerausgleich.[4] Kann die Steuerfestsetzung dieses Vz nicht mehr geändert werden, bleibt die verdeckte Gewinnausschüttung auf Dauer unbesteuert.[5]

 
Praxis-Beispiel

Die Kapitalgesellschaft hat für ihren Gesellschafter-Geschäftsführer im Jahr 01 eine Pensionsrückstellung von 100.000 EUR gebildet. In Höhe von 30.000 EUR verstößt die Rückstellung gegen § 6a EStG wegen Einbeziehung von Vordienstzeiten. In Höhe von (weiteren) 50.000 EUR liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, weil die Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers unangemessen hoch ist. Die Finanzbehörde deckt dies im Jahr 08 auf, als die Festsetzungsfrist für das Jahr 01 bereits abgelaufen ist.

In Höhe von 30.000 EUR liegt eine steuerlich unzulässige Rückstellung vor. Dies kann in der ersten "offenen" Bilanz durch Auflösung der Rückstellung korrigiert werden (Bilanzberichtigung); die "Zweischneidigkeit" führt also zu einem automatischen Fehlerausgleich.[6] In Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung kann dagegen keine Korrektur des Einkommens mehr erfolgen; vielmehr müsste diese im Jahr 01 vorgenommen werden, was wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist für dieses Jahr nicht mehr möglich ist.[7]

 

Rz. 211a

Die steuerlichen Wirkungen der verdeckten Gewinnausschüttung dürfen daher nicht mit bilanziellen Maßnahmen (Auflösung von Rückstellungen) in andere Vz verlagert werden. Das bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass die verdeckte Gewinnausschüttung steuerlich endgültig nicht erfasst wird. Wird die Rückstellung aufgelöst, ohne dass es zu einer Auszahlung an den Berechtigten kommt, nimmt die Rspr. insoweit eine steuerpflichtige Vermögensmehrung, keine Einlage, an, als es bei der Bildung der Rückstellung nicht zu der Hinzurechnung einer verdeckten Gewinnausschüttung gekommen ist.[8] Wird der Rückstellungsbetrag an den Gesellschafter ausgezahlt, liegt in der Auszahlung eine verdeckte Gewinnausschüttung, soweit die Bildung der Rückstellung nicht als verdeckte Gewinnausschüttung berücksichtigt wurde.[9] Dass die Auflösung der Rückstellung zu eine...

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