Rz. 205

Die verdeckte Gewinnausschüttung besteht aus einer Vermögensminderung bzw. verhinderten Vermögensmehrung, die zu einer Minderung der Einkünfte (des Einkommens) auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, aber in schuldrechtlicher Form, führt.[1] Der Vorgang, der als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren ist, stellt also wirtschaftlich etwas anderes dar, als er seiner äußeren Form nach zu sein scheint. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG ordnet an, dass der wirtschaftliche Gehalt des Vorgangs steuerlich zu erfassen ist, die Besteuerung dagegen nicht der äußeren Form zu folgen hat.

 

Rz. 205a

Der Vorgang ist vom Stpfl. entsprechend seiner äußeren Form als Einkommensminderung behandelt worden. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Maßnahme der Einkommensverwendung. Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung muss daher zur Umqualifikation des Vorgangs führen. Ein bisher als Einkommenserzielung, und damit einkommensmindernd behandelter Vorgang muss als Einkommensverwendung behandelt werden. Die Einkommensminderung, die der Stpfl. vorgenommen hat, ist durch eine entsprechende Erhöhung des Einkommens rückgängig zu machen. Ist der Betrag bei der Körperschaft abgeflossen und bei dem begünstigten Gesellschafter zugeflossen, sind bei ihm entsprechend die Folgerungen zu ziehen, die sich aus einer Auskehrung (Ausschüttung) ergeben. Bei dem Gesellschafter sind daher bei Zufluss Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zu erfassen. Die Umqualifizierung der Einkommenserzielung in die Einkommensverwendung hat konsequent über alle Stufen zu erfolgen, die der Vorgang durchläuft, also von der Ebene der Einkommensermittlung der Körperschaft bis hin zur Ebene des Gesellschafters bei Zufluss unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens bzw. der Abgeltungsteuer. Dabei sind die für jede dieser Stufen geltenden besonderen Regeln zu beachten. Andererseits darf die Korrektur einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht zu einer "Strafsteuer" führen. Vielmehr ist der Vorgang so abzuwickeln, dass dieselbe steuerliche Belastung eintritt, die sich ergeben hätte, wenn der Vorgang von Anfang an nicht als schuldrechtlicher Vorgang, sondern als (offene) Gewinnausschüttung behandelt worden wäre. Dies führt, insbesondere in Fällen von Dienstleistungen, zu dem Institut des "Vorteilsverbrauchs".[2]

 

Rz. 205b

Entsprechend ist der Vorgang aufzufassen, wenn nicht nur Gesellschafter und Gesellschaft, sondern mehrere Personen beteiligt sind, also im Fall einer verdeckten Gewinnausschüttung an eine nahestehende Person. Bei einer Vorteilsgewährung an eine nahestehende Person wird der Vorteil mittelbar dem Gesellschafter zugewendet, ohne dass es zu einem tatsächlichen Zufluss bei dem Gesellschafter kommt. Der Vorgang ist steuerlich so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter den Vorteil erhalten und diesen an die nahestehende Person weitergegeben.[3]

Diese Abwicklung über den Gesellschafter stellt trotz Fehlens eines tatsächlichen Zuflusses bei ihm keine Fiktion dar, sondern entspricht dem wirtschaftlichen Gehalt des Vorgangs. Da eine verdeckte Gewinnausschüttung nur bei Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis vorliegt, muss der Gesellschafter ein (irgendwie geartetes) Interesse an der Vorteilsgewährung an den Dritten gehabt haben. Wirtschaftlich hat er daher die Gewinnausschüttung von der Kapitalgesellschaft bezogen und diese an den Dritten weitergegeben.[4]

 

Rz. 205c

Für verdeckte Gewinnausschüttungen innerhalb eines Konzerns hat das folgende steuerliche Konsequenzen. Wendet eine Schwestergesellschaft einer anderen Schwestergesellschaft einen Vorteil zu, ist auch dieser Vorgang steuerlich entsprechend seinem wirtschaftlichen Gehalt zu behandeln. Der wirtschaftliche Gehalt besteht in einer Zuwendung an die Muttergesellschaft, die diesen Vorteil an die Schwestergesellschaft weitergibt. Wendet eine Enkelgesellschaft der Muttergesellschaft einen Vorteil zu, ist dies eine Vorteilszuwendung der Enkelgesellschaft an die Tochtergesellschaft und von der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft. Bei tiefer gestaffelten Konzernverhältnissen stellt entsprechend die verdeckte Gewinnausschüttung eine Ausschüttung durch die Beteiligungskette von der jeweiligen Gesellschaft zu dem jeweiligen direkt beteiligten Gesellschafter dar.[5] Auch in diesen Fällen ist ein etwaiger "Vorteilsverbrauch" zu berücksichtigen.[6]

 

Rz. 206

Diese Abwicklung hat zur Formulierung einer "Fiktionstheorie" geführt.[7] Danach soll "fingiert" werden, dass das Geschäft zwischen Gesellschafter und Gesellschaft zu angemessenen Bedingungen, wie unter Dritten, abgewickelt wird. Da die Gesellschaft dann über ein höheres Vermögen verfügen müsste (keine Vermögensminderung, eingetretene Vermögensmehrung), das sie tatsächlich nicht hat, wird im Wege einer zweiten "Fiktion" unterstellt, dass der Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung in der "logischen Sekunde" nach dem Geschäft als Gewinn an den Gesellschafter ausgeschüttet wird. M.E. ist die Bezeichnung "Fikitionstheorie" u...

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