Rz. 201

Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt nur vor, wenn das Einkommen vermindert worden ist. Das ergibt sich aus § 8 Abs. 3 KStG, wonach eine verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen nicht mindern darf. Außerdem ergibt sich dies aus systematischen Überlegungen. Wenn die verdeckte Gewinnausschüttung dazu dient, die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abzusichern, muss sie an das Einkommen anknüpfen, das als Objekt der Besteuerung Ausdruck der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist.

 

Rz. 201a

In der neueren Rspr. erwähnt der BFH[1] das Merkmal der Auswirkung auf das Einkommen nicht mehr, sondern ersetzt es durch das Merkmal der "Auswirkung auf die Höhe des Unterschiedsbetrags nach § 4 Abs. 1 S. 1 EStG". M. E. kann dadurch das Merkmal der Auswirkung auf das Einkommen nicht ersetzt werden. Der "Unterschiedsbetrag" misst, wie die Verweisung auf § 4 Abs. 1 S. 1 EStG zeigt, die bilanzielle Vermögensminderung bzw. die nicht eingetretene bilanzielle Vermögensmehrung und ist daher im Zusammenhang mit dem Merkmal der "Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung" zu sehen, nicht mit dem Merkmal der Auswirkung auf das Einkommen.[2] Das Merkmal der Auswirkung auf das Einkommen ist auch nicht verzichtbar. Nicht jede Minderung des "Unterschiedsbetrags" (d. h. nicht jede Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung), die aus gesellschaftsrechtlicher Veranlassung erfolgt, führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Vielmehr kann eine Minderung des Unterschiedsbetrags vorliegen, ohne dass gleichzeitig eine Minderung des Einkommens erfolgt[3]; dann scheidet die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung aus. M. E. ist daher die "Auswirkung auf den Unterschiedsbetrag" als Auswirkung auf die steuerpflichtigen Einkünfte, und damit auf das Einkommen, zu verstehen.[4]

 

Rz. 201b

Mit dem Merkmal der Auswirkung auf die Einkünfte bzw. das Einkommen werden alle Sachverhalte aus dem Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung ausgeschieden, die nicht zu einer Verminderung des Einkommens führen. Keine verdeckten Gewinnausschüttungen auf der Ebene der Körperschaft sind daher Vorgänge, die nicht zu einer Minderung des Einkommens führen und folglich auf der Einkommensebene der Körperschaft nicht korrigiert werden müssen. Sie können aber auf der Ebene des Gesellschafters eine verdeckte Gewinnausschüttung und damit Einkünfte aus Kapitalvermögen sein. Es handelt sich um folgende Vorgänge:

  • Zahlung von Bargeld an den Gesellschafter zulasten der versteuerten Rücklagen;
  • unentgeltliche Abtretung des Anspruchs auf InvZul oder sonstiger steuerfreier Einnahmen;
  • Übertragung einer Beteiligung nach § 8b Abs. 2 KStG auf den Gesellschafter zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert. Veräußerungsgewinne aus dieser Veräußerung wären steuerfrei und würden das Einkommen nicht erhöhen; entsprechend kann es keine verdeckte Gewinnausschüttung sein, wenn diese Vermögensmehrungen unterbleiben.

Es wird jedoch auch die Ansicht vertreten, dass die Verwendung des Begriffs des "Unterschiedsbetrags" anstelle der "Minderung des Einkommens bzw. der steuerpflichtigen Einkünfte" zu einer Erweiterung des Begriffs der verdeckten Gewinnausschüttung führe, da dann auch die Übertragung bei der Körperschaft steuerfreier Vermögensteile zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen würde.[5]

Dieses Ergebnis wäre aber sachwidrig. Wenn die entgeltliche Veräußerung eines solchen Vermögensgegenstandes nicht zu steuerpflichtigen Einkünften und damit einer Einkommenserhöhung bei der Körperschaft führt, kann dies bei einer unentgeltlichen Übertragung nicht anders sein.[6]

 

Rz. 202

Mangels Einkommensminderung liegt auch keine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn eine unterlassene Vermögensmehrung steuerlich als Einlage zu qualifizieren gewesen wäre. Hat der Gesellschafter-Geschäftsführer etwa eine handelsrechtlich pflichtwidrige Handlung im eigenen Interesse vorgenommen, die eine verdeckte Gewinnausschüttung ist, so besteht handelsrechtlich gegen ihn ein von der Gesellschaft bzw. den anderen Gesellschaftern geltend zu machender Schadensersatzanspruch. Dieser Schadensersatzanspruch ist ein Vermögensgegenstand. Verzichtet die Gesellschaft wegen der Gesellschafterstellung des Geschäftsführers auf die Geltendmachung des Anspruchs, erlässt sie ihn also zivilrechtlich wirksam, liegt in der Ausbuchung eine Vermögensminderung bzw. in der deswegen unterlassenen Einbuchung eine verhinderte Vermögensmehrung. Hieraus ist der Schluss gezogen worden, es läge eine zweite verdeckte Gewinnausschüttung vor.[7] Das ist nicht richtig, da es an der Einkommensminderung fehlt. War die schädigende Handlung eine verdeckte Gewinnausschüttung, ist der hieraus resultierende Schadensersatzanspruch eine Einlage, ohne Rücksicht darauf, ob es sich handelsrechtlich um eine Betriebseinnahme handeln würde. Der Verzicht auf eine Einlageforderung kann aber keine verdeckte Gewinnausschüttung sein, da dies keine Auswirkungen auf den "Unterschiedsbetrag" bzw. das Einkommen hat. Ein Forder...

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