Rz. 106

Schließen Gesellschafter und Gesellschaft einen schuldrechtlichen Vertrag, ist dies Ausdruck dafür, dass beide Parteien ihre Beziehungen als Teilnahme am Marktgeschehen auffassen und daher keine gesellschaftsrechtliche Veranlassung vorliegt. Ein schuldrechtlicher Vertrag kann diese Funktion nur erfüllen, wenn er tatsächlich durchgeführt wird. Der Besteuerung zugrunde gelegt werden können nach § 41 AO nur die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie die Parteien gestaltet haben. Ein schuldrechtlicher Vertrag ist zwar Teil dieser tatsächlichen Verhältnisse und daher steuerlich zu berücksichtigen. Wird er jedoch tatsächlich nicht durchgeführt, beeinflusst er die tatsächlichen Verhältnisse der Parteien nicht, kann also steuerlich nicht berücksichtigt werden. Wird ein Vertrag tatsächlich nicht durchgeführt, ist dies ein Indiz dafür, dass bewirkte Vermögensminderungen oder verhinderte Vermögensmehrungen auf gesellschaftsrechtlicher Veranlassung beruhen. Es kann aber überzeugend dargelegt werden, dass die Nichtdurchführung von Teilen der Vereinbarung auf sachlichen Gründen (z. B. Änderung der maßgebenden Verhältnisse) beruhte.[1]

Vermögensminderungen bzw. verhinderte Vermögensmehrungen, die bei der Körperschaft eintreten, weil ein Vertrag mit dem Gesellschafter tatsächlich nicht durchgeführt wird, beruhen daher nicht auf einer Teilnahme am Marktgeschehen und sind verdeckte Gewinnausschüttungen. Bei mangelnder Durchführung der Vereinbarung stellt die gesamte Vergütung eine verdeckte Gewinnausschüttung dar. Eine nicht ernst gemeinte, weil tatsächlich nicht durchgeführte Vereinbarung führt auch hinsichtlich des "angemessenen" Teils der Vergütung zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.[2]

Wird der Vertrag nur in einzelnen Punkten nicht durchgeführt, führt dies nur dann zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn aus der teilweise fehlenden tatsächlichen Durchführung zu schließen ist, dass der Vertrag nicht ernst gemeint war, sondern nur die Unentgeltlichkeit der Leistung an den Gesellschafter verdecken sollte (vgl. Rz. 107).

 

Rz. 107

Ein Vertrag ist tatsächlich durchgeführt, wenn seine Bestimmungen eingehalten werden und die Parteien in der Abwicklung den wesentlichen Regeln folgen, die für diesen Vertragstypus gelten. Es müssen also die vertragsgemäßen Leistungen in der vertraglich vereinbarten Form erbracht, Gegenleistungen in Geld tatsächlich gezahlt werden.

Bei einem Vertrag, der in seinen wesentlichen Elementen nicht durchgeführt worden ist, wird die Indizwirkung so stark sein, dass regelmäßig eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung anzunehmen sein wird. Andererseits kann ein Vertrag nicht allein deshalb als gesellschaftsrechtlich veranlasst gewertet werden, weil Nebenabreden nicht getroffen oder nicht durchgeführt worden sind. So kann beispielsweise aus dem Fehlen von Sicherheiten, aus der fehlenden Vereinbarung eines Rückzahlungszeitpunkts bei einem Darlehensvertrag bzw. aus der Nichteinhaltung von Kündigungsfristen nicht ohne weitere Würdigung geschlossen werden, dass der Vertrag insgesamt gesellschaftsrechtlich veranlasst ist. Es handelt sich vielmehr lediglich um Indizien, die zusammen mit anderen Umständen des Einzelfalls zu würdigen sind, ob sie den Schluss auf eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung des ganzen Vertragsverhältnisses zulassen.[3] Ein Vertrag kann auch nur zeitweise durchgeführt worden sein. Dann ist er zeitweise anzuerkennen, als er tatsächlich durchgeführt worden ist.[4]

Für ein Dauerschuldverhältnis (Darlehen, Miete, Pacht, Arbeitsverhältnis) folgt daraus, dass abgrenzbare Zeiträume jeweils für sich zu beurteilen sind. Daher kann ein Dauerschuldverhältnis für einen bestimmten Zeitraum durchgeführt, für einen anderen Zeitraum nicht durchgeführt worden sein.[5] Aus der späteren Nichtdurchführung ab einem bestimmten Zeitpunkt kann daher nicht die Nichtdurchführung des ganzen Vertrags, und damit auch für Zeiträume vor diesem Zeitraum, abgeleitet werden.

 

Rz. 107a

Verpflichtungen aus Geschäften sind als Verbindlichkeiten oder Rückstellungen zu bilanzieren. Erfolgt keine Bilanzierung, ist dies ein Indiz dafür, dass die Vereinbarung tatsächlich nicht durchgeführt worden ist. Das gilt allerdings nur, wenn die Nichtbilanzierung dem Geschäftsführer und damit der Kapitalgesellschaft zuzurechnen ist (zur Zurechnung vgl. Rz. 74). Bilanzierungsfehler sind dem Geschäftsführer bzw. der Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht zuzurechnen, wenn sie von dem Buchhaltungspersonal bzw. einem Dritten (Steuerberater, Versicherungsmathematiker bei Pensionsrückstellungen) begangen worden sind. Sie sind der Kapitalgesellschaft jedoch zuzurechnen, wenn der Fehler auf eine bewusste Entscheidung des Organs der Kapitalgesellschaft (Geschäftsführer, Gesellschafterversammlung) zurückzuführen ist. Gleiches gilt, wenn die Abweichung zwischen dem rechtlich zutreffenden und dem tatsächlich gewählten Bilanzansatz so augenfällig ist, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter dies bei sorgsamer Durchsicht der Bila...

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